Alles auf einen Blick — Erhebung vom 22./23.02.2022
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Befunde mit Abbildungen und Empfehlungen finden Sie im aktuellen Foliensatz. Zudem können Sie hier eine qualitative Auswertung zur Frage herunterladen, welche Themen die Politik jetzt in Angriff nehmen sollte.
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Wir befinden uns aktuell in einer Situation, in der zunehmend Entspannung erlebt wird – weniger Belastung, weniger gefühltes Risiko, weniger Sorgen zu erkranken – aber auch etwas weniger Schutzverhalten. Beim Impfen festigt sich weiter der Befund, dass Personen ohne Impfschutz ungeimpft bleiben möchten. Wer bislang nicht geboostert ist, möchte das vornehmlich mit einem angepassten Impfstoff tun; es herrscht außerdem die Idee vor, sich erst im Herbst impfen lassen zu wollen. Es wird überwiegend eine weitere Welle im Herbst erwartet, die Bevölkerung erwartet von der Politik hier besonders einheitliche und gut geplante Maßnahmen, eine Erhöhung der Impfquote, eine Stärkung der Pflege und des Gesundheitssystems sowie das Lebenlernen mit dem Virus.
Auf der Basis der bisherigen und aktuellen Ergebnisse der COSMO Befragung (Welle 60, 22.02. & 23.02.22, 1021 Befragte; deutschlandweite nicht-probabilistische Quotenstichprobe, die die erwachsene Allgemeinbevölkerung zwischen 18 und 74 Jahren für die Merkmale Alter x Geschlecht und Bundesland abbildet) leitet das COSMO-Konsortium folgende Empfehlungen zur weiteren Gestaltung der COVID-19-Lage in Deutschland ab:
Befunde: Die meisten Befragten erwarten aktuell, dass die Infektionszahlen weiter sinken werden. Auch wenn immer noch ein erhöhtes Infektionsrisiko wahrgenommen wird, ist das gefühlte Risiko weiter gesunken, auch der Schweregrad einer möglichen Infektion wird als geringer eingeschätzt als noch im Dezember 2021 oder in den vorhergegangenen Corona-Wellen. Schutzverhalten sinkt aktuell leicht. Ausnahme sind Masken, die dauerhaft häufig getragen werden. Immer mehr Personen berichten, dass sie nicht genau wissen, welche Regeln für sie gelten (32%). Wer hier die Übersicht verloren hat, hält sich auch weniger an AHA-AL Regeln. Der Wunsch nach einheitlichen Regeln ist weiter hoch: 73% wünschen sich bundeseinheitliche Regeln. Nur ca. 20% arbeiten überwiegend oder immer im Homeoffice, 56% arbeiten ausschließlich beim Arbeitgeber vor Ort. Mehr als die Hälfte aller Befragten hat sich in den vergangenen vier Wochen mindestens einmal pro Woche mit einem Schnelltest getestet; 25% testen sich 2-4 mal. Ca. 50% der Befragten finden die Maßnahmen aktuell angemessen. Strikte Maßnahmen wie weitere Kontaktbeschränkungen oder Schulschließungen werden wieder eher abgelehnt.
Befunde: 55% haben was den Umgang mit Corona angeht geringes oder kein Vertrauen in die Regierung. Das Vertrauen in Institutionen (Ärzte, Wissenschaft) ist in der aktuellen Erhebung auch insgesamt etwas niedriger als im Dezember. Das Vertrauen in die Bundesregierung ist bei den Personen höher, die die Maßnahmen für angemessen halten. Es ist etwas geringer bei Personen, denen die Maßnahmen nicht weit genug gehen und am niedrigsten bei Personen, denen die Maßnahmen zu weit gehen.
Bitte zu beachten: Generell ist der Anteil der mindestens einmal Geimpften in der COSMO Stichprobe etwas höher als in anderen Impfquoten-Monitorings berichtet. Dies legt nahe, dass die Stichprobe in der COSMO Studie dem Impfen positiver gegenübersteht als die Allgemeinbevölkerung, wodurch möglicherweise der Anteil der Impf-Unwilligen unterschätzt wird. Auch werden hier nur Erwachsene im Alter zwischen 18 und 74 Jahren befragt.
Impfbereitschaft. Die Impfbereitschaft unter den (weniger werdenden, verbleibenden) ungeimpften Personen ist sehr gering. Von allen Befragten waren 10% ungeimpft, der Rest hat mindestens eine Impfung erhalten. Unter diesen Ungeimpften sind in der aktuellen Befragung nur 6% impfbereit, 24% zögerlich oder unsicher, 70% sagen, sie wollen sich auf keinen Fall impfen lassen.
Genesene. Unter den ungeimpften Genesenen (kleine Stichprobe: n = 69 aus alles Erhebungen seit November) ist nur etwa ein Drittel bereit, sich impfen zu lassen, wenn das Zertifikat abgelaufen ist. Fast die Hälfte der ungeimpften Genesenen möchte sich auf keinen Fall impfen lassen. Auch hier ist also Aufklärungsbedarf festzustellen.
Empfehlung: Genesene sollten frühzeitig über den Sinn der Impfung aufgeklärt werden und eventuelle Ängste durch aktive Aufklärung genommen werden. Zum Abschluss der Isolation könnte Genesenen beispielsweise gezielt Informationsmaterial geschickt werden oder die Corona-War App könnte rechtzeitig vor Ablauf des Genesenen-Zertifikats zur Impfung aufrufen.
Einflussfaktoren. Ungeimpfte mit hoher und niedriger Impfbereitschaft unterscheiden sich etwas in ihren Gründen des Nicht-Impfens - sowohl untereinander als auch im Vergleich zu Geimpften: Wer sich auf keinen Fall impfen lassen möchte, hat deutlich größere Sicherheitsbedenken als Geimpfte; diese sind der Hauptgrund gegen das Impfen. Die Impfung wird zudem nicht als notwendig betrachtet; dies resultiert aus einer niedrigen Risikowahrnehmung durch die Erkrankung. Wer ungeimpft ist und noch zögerlich, den halten ebenfalls v.a. Sicherheitsbedenken ab, dies wiegt aber nicht so schwer wie bei den Verweigerern, ist jedoch der einzige starke Grund gegen eine Impfung. Bei Personen, die noch ungeimpft aber im Prinzip impfbereit sind, gibt es aktuell keine wesentlichen Unterschiede zu Geimpften.
Angst vor dem Impfen. 71% der ungeimpften Personen haben (eher) Angst vor der COVID-19 Impfung. Je größer die Angst, desto geringer die Impfbereitschaft und desto größer die Wahrnehmung, dass sich Impfen nicht mehr lohnt. Diese Zusammenhänge gelten auch für geimpfte Personen mit Angst vor dem Impfen.
Empfehlung: Die Ängste vor der Impfung sollten reduziert werden; dazu können Ärzt:innen besonders informiert und geschult werden. Auch das Widerlegen von Falschinformation sollte ein großes Gewicht bekommen; hier braucht auch medizinisches Personal Unterstützung.
Senkt die Verfügbarkeit eines COVID-19 Medikaments die Impfbereitschaft? In einem Szenario-Experiment wurde variiert, ob Personen Informationen über die COVID-19 Impfung oder über die Impfung und das Medikament Paxlovid erhielten. Es zeigt sich: Insbesondere geboosterte Teilnehmer:innen verringern ihre Impfbereitschaft für eine weitere COVID-Impfung, wenn sie Informationen über das Paxlovid-Medikament bekommen. Gleichzeitig ist ein Substitutionseffekt zu beobachten: Geboosterte Personen würden eher das Medikament von ihrem Arzt oder Ärztin verlangen und würden es auch eher einnehmen als mindestens einmal Geimpfte oder ungeimpfte Personen. Auf Ungeimpfte wirkte sich die Verfügbarkeit nicht aus; sie waren auch bei dem Einfordern des Medikaments deutlich zurückhaltender als Geimpfte.
Novavax. Im November wurden bis dahin Ungeimpfte nach ihrer Bereitschaft gefragt, sich mit einem traditionellen Impfstoff (auch Totimpfstoff genannt) impfen zu lassen. Mit der Einführung des proteinbasierten Impfstoffs Novavax wurde die Frage nach der Impfbereitschaft mit Novavax gestellt. Die Bereitschaft der Ungeimpften, sich mit Novavax impfen zu lassen, ist geringer als die Bereitschaft im November, sich mit einem traditionellen Totimpfstoff impfen zu lassen. Das Vertrauen in Novavax ist ähnlich zum Vertrauen in einen traditionellen Totimpfstoff (November). 20% der Ungeimpften sind (eher) bereit, sich mit Novavax impfen zu lassen. 55% der Ungeimpften lehnen diese Impfung komplett ab. Damit ist Novavax bei Ungeimpften heute genauso unbeliebt wie im November die bereits zugelassenen Impfstoffe.
Empfehlung: Es sollte nicht damit gerechnet werden, dass sich ein Großteil der bislang ungeimpften Personen mit dem nun verfügbaren proteinbasierten Impfstoff impfen lassen wird.
Impfen in Apotheken. Nur 16% der Befragten haben in ihrem Umfeld bereits eine Apotheke gesehen, die gegen COVID-19 impft. Ungeimpfte würden das Angebot v.a. bei Corona und Influenza eher nicht wahrnehmen, jedoch möglicherweise für andere Impfungen. V.a. Personen, die bereits geboostert sind, würden das Angebot annehmen, Geimpfte ohne Booster sind auch etwas zögerlicher. Apotheken zeigen sich also eher für die besonders „impffreudige“ Personen als eine Erleichterung; Personen mit hohem Informationsbedarf oder Sicherheitsbedenken lehnen Impfungen in Apotheken eher ab.
Empfehlungen:
Impfpflicht. In der aktuellen Befragung ist die Zustimmung zur Impfpflicht geringer (54%) als im Dezember (64%). Eine ausführliche Datenerhebung zur Impfpflicht findet sich in der COSMO PANEL Studie hier. Die nächste Auswertung erfolgt voraussichtlich Mitte März.
Booster. Von den Geimpften ohne Booster sind aktuell 46% bereit zu einer Booster-Impfung. 69% der Personen, für die ein Booster ansteht, wollen jedoch lieber warten, bis ein für die Omikron-Variante angepasster Impfstoff verfügbar ist. Dieser Anteil ist im Vergleich zum Dezember deutlich gestiegen.
Lohnt sich eine Impfung noch? Die Mehrzahl der Ungeimpften gibt an, dass es für sie zum aktuellen Zeitpunkt zu spät für eine Impfung sei (77%); jedoch will sich die Mehrheit davon gar nicht impfen lassen, nur 23% warten auf einen angepassten Impfstoff. Von den mindestens einmal Geimpften halten 43% eine weitere Impfung/Booster aktuell für zu spät. Davon will sich die Mehrzahl erst im Herbst nochmals impfen lassen (43%), 26% warten auf einen angepassten Impfstoff. 10% geben an, sich gar nicht mehr impfen lassen zu wollen. 5% aller Befragten geben an, dass ein Arzt abgeraten hat, weil eine Impfung gegen Corona keinen Nutzen (mehr) hat.
Empfehlung: Eine (weitere) Impfung ist auch aktuell entscheidend, um sich und andere zu schützen, vor allem vor einem schweren Krankheitsverlauf. Dafür sind auch die bereits vorhandenen Impfstoffe wirksam. Außerdem dient eine Immunisierung durch die Impfung als rechtzeitiger Schutz für kommende Wellen, bei denen auch wieder die Delta-Variante mit schwereren Verläufen oder mögliche zukünftige Varianten eine Rolle spielen könnten.
Auch Ärzte raten vom Impfen ab. 11% aller Befragten berichten, ein Arzt oder eine Ärztin habe vom Impfen abgeraten; am häufigsten wurden Hausärzt:innen angegeben. Unter Ungeimpften berichten 28%, dass ihnen abgeraten wurde, unter Geimpften 9%. Wenn Ärzt:innen von einer Impfung abgeraten haben, geschah dies in fast der Hälfte der Fälle mit der Begründung unbekannter Langzeitfolgen. Auch die Sicherheit der Impfung und das Fehlen eines Nutzens wurden als Argumente öfter angebracht.
Empfehlungen:
Andere Impfungen. Wer gegen COVID-19 geimpft ist, ist in der aktuellen Saison auch eher gegen Grippe geimpft (und umgekehrt). Ungefähr ein Viertel der gegen COVID-19-Ungeimpften gibt an, in den letzten 5 Jahren auch andere Impfungen bewusst abgelehnt zu haben. Unter den gegen COVID-19 Geimpften sind es nur 17%. In einer repräsentativen Telefon-Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung haben 2018 26% angegeben, dass sie schon einmal eine Impfung ausgelassen haben. In der aktuellen Befragung gaben dies 23% an. Die aktuelle Befragung deutet also an, dass die COVID-19 Impfung tendenziell nicht zu mehr ausgelassenen Impfungen geführt hat.
Empfehlungen:
Befunde: Auch bei Kindern ist das Stagnieren der Impfbereitschaft zu beobachten – wer sein Kind impfen lassen möchte, hat das in der Regel getan. Unter den Eltern, die ungeimpfte Kinder haben, ist die Impfbereitschaft niedrig. Von den Eltern mit Kindern unter 12 ist ca. die Hälfte bereit, die Kinder impfen zu lassen oder hat sie bereits impfen lassen; bei älteren Kindern liegt die erreichbare Impfquote etwas höher (77%; Achtung: COSMO hat eine eher impffreudige Stichprobe im Vergleich zu anderen Studien, daher liegt der tatsächliche Wert vermutlich niedriger). Über alle Altersgruppen hinweg zeigt sich, dass Eltern mit geringer Bereitschaft, ihre Kinder impfen zu lassen, vor allem geringeres Vertrauen in die Sicherheit des Impfstoffs und eine niedrigere Risikowahrnehmung für ihre Kinder haben. Eltern, die ihre Kinder bereits geimpft haben, zeigen hingegen ein deutlich höheres Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft, v.a. bei älteren Kindern. Die Abwägung von Risiken und Nutzen der Impfung spielt bei befürwortenden und ablehnenden Eltern eine starke Rolle, während die Barrieren in der Ausführung in beiden Gruppen als (eher) gering empfunden werden.
Empfehlung: Da Kinder ab 12 auch zur relevanten Gruppe gehören, in der eine hohe Durchimpfung erreicht werden muss, sollten weitere Maßnahmen zur niederschwelligen und guten Aufklärung sowie Impfung von Jugendlichen und ihren Eltern erwogen werden. Fragen zur Sicherheit und Nutzen müssen beantwortet werden. Angebote über Schulen können viele Kinder und Eltern erreichen (z.B. online Frage-Antwort Stunden).
Befunde: Trotz steigender Infektionszahlen im Januar gehen fast 40% der Eltern die Maßnahmen in den Schulen aktuell zu weit; etwa die Hälfte der befragten Eltern findet die Maßnahmen angemessen. Eltern ungeimpfter Kinder gehen die Maßnahmen überwiegend zu weit; Eltern geimpfter Kinder finden die Maßnahmen aktuell größtenteils angemessen. 57% der Eltern berichten, dass ihre Kinder (unabhängig vom Maskentyp) durch das Masketragen eher oder sehr belastet werden. In offenen Antworten zur Frage nach Maßnahmen nach März zeigt sich eine Zweiteilung: Eine Hälfte befürwortet Masken, die andere lehnt sie ab. Als häufige weitere Maßnahmen wurden Tests und Lüften/Luftfilter genannt.
Befunde: Generell ist festzustellen, dass die Belastung zurückgeht; ihre Spitze hatte die Belastung kurz nach dem Gipfel der Delta-Welle Ende November; seit der Omikron-Welle geht die Belastung kontinuierlich zurück. 41% fühlen sich belastet, Ende November waren es 51%. Spezifische Sorgen sinken ebenfalls (z.B. dass das Gesundheitssystem überlastet werden könnte oder man geliebte Menschen verliert). Aus vorherigen Befragungen wissen wir, dass die Suche nach psychologischer Unterstützung im Vergleich zu vor einem Jahr deutlich angestiegen ist.
Empfehlung: Maßnahmen zur Unterstützung des Wohlbefindens und der psychologischen Widerstandskraft (Resilienz) sollten gefördert und beworben werden. Angebote sollten auch vermehrt für Kinder und Jugendliche geschaffen werden, die in dieser Studie nicht befragt werden.
Befunde: Die am häufigsten beobachteten aggressive Handlungen nach Hinweisen auf die geltenden Corona-Regeln waren Beleidigungen, gefolgt von Bedrohungen. Fast die Hälfte der Personen, die in einem Beruf arbeiten, in dem sie auf die geltenden Regeln hinweisen müssen, haben bereits selbst Beleidigungen erlebt; 15% haben Bedrohungen und 12% haben physischer Gewalt (Schubsen, Angriff, Verletzungen) erlebt.
Befunde: 65% halten eine neue Welle der Corona-Pandemie im kommenden Herbst und Winter für (eher/sehr) wahrscheinlich. Personen, die geboostert sind, nehmen das Risiko als höchstes wahr, Ungeimpfte am geringsten. Wenn perspektivisch keine anderen Maßnahmen mehr gelten und Masken wieder notwendig würden, wären sie am ehesten im Bereich der Pflegeeinrichtungen, Öffentlichen Verkehrsmittel befürwortet. Einzelhandel, Kultur und öffentliche Gebäude sind ähnlich, aber weniger akzeptiert. Masken in Restaurants, am Arbeitsplatz und in der Schule sind am wenigsten akzeptiert. Geimpfte akzeptieren das erneute Tragen von Masken deutlich mehr als Ungeimpfte. In einer offenen Frage (siehe Link oben) wurden Themen gesammelt, die die Politik jetzt in Angriff nehmen muss, damit Herbst und Winter im Hinblick auf die Pandemie gut verlaufen. Die häufigsten Themen waren der Wunsch nach einheitlichen und gut geplanten Maßnahmen (11%); bei den Maßnahmen gehen Wünsche nach schärferen oder gar keinen Maßnahmen auseinander (je ca. 5%); 23% wünschen sich eine Impfpflicht, 14% eine Steigerung der Impfquote. 8% geben an, dass es wichtig sei zu lernen mit dem Virus zu leben; 6% nennen die Stärkung des Pflege- und Gesundheitsbereichs.