Alles auf einen Blick — COSMO Thüringen Welle 3
Eine Zusammenstellung der wichtigsten Befunde mit Abbildungen und Empfehlungen finden Sie im aktuellen Foliensatz.
Foliensatz herunterladenIm Rahmen der dritten Erhebungswelle der Thüringen COSMO Studie (15. bis 21.03.2021) hat das COSMO-Konsortium die Thüringer/innen gefragt, was ihrer Meinung nach die Hauptgründe sind, warum die momentane 7-Tages-Inzidenz in Thüringen deutlich höher ausfällt als im Vergleich zu anderen Bundesländern. Wir haben ebenfalls danach gefragt, was man tun könnte, um die Fallzahlen zu reduzieren. Diese Ergebnisse werden ergänzt mit den Befragungsdaten der dritten und letzten Thüringer Erhebungswelle (N = 552), um folgende Empfehlungen abzuleiten.
Etwa die Hälfte der Befragten machte Angaben hierzu. Die meisten sehen die Gründe bei der Missachtung von Maßnahmen (15,4%; 78 Antworten). Hierbei wird vor allem auf das fehlende Tragen von Masken und das nicht Einhalten der Abstandsregeln verwiesen. Auch die Öffnungen der Schulen und andere Lockerungen werden als Gründe für die steigenden Zahlen genannt (5,9%; 30 Antworten). Entsprechend zeigt sich auch in den Befragungsdaten, dass einem Viertel der Thüringer/innen die aktuellen Maßnahmen nicht weit genug gehen (23%); ein Großteil der Befragten empfindet die Maßnahmen als angemessen (39%) und 38% finden die Maßnahmen gehen zu weit.
Zusätzlich werden private Treffen als Treiber der Infektionszahlen genannt (9,9%; 50 Antworten). In der Tat gaben 65% aller Befragten an, mindestens einmal pro Woche Familienmitglieder aus einem weiteren Haushalt zu sehen. Jeder zweite trifft mindestens einmal pro Woche Freunde und Bekannte. Alarmierend ist hierbei, dass darin kein Risiko gesehen wird. Nur etwa jede/r vierte denkt, dass man sich in dieser Situation anstecken könnte. Im Gegensatz dazu wird das Risiko einer Ansteckung beim Einkaufen oder beim Arzt als wahrscheinlicher eingeschätzt. Viele Kontakte bestehen außerdem weiterhin am Arbeitsplatz – 55% der Berufstätigen (n = 331) haben täglich mit mehr als 5 Personen so nahe körperlichen Kontakt, dass eine Ansteckung mit dem Coronavirus möglich wäre.
Als weiterer Grund für die hohe Inzidenz werden Leichtsinn und Ignoranz vieler Thüringer/innen (7,9%; 40 Antworten) und deren fehlendes Verständnis für die Ernsthaftigkeit der Situation genannt (7,9%; 40 Antworten). Auch das ausbleibende Verständnis für das Risiko einer Infektion wird genannt (4,9%; 25 Antworten). Die Risikowahrnehmung bleibt von Oktober bis März in der Tat auf einem konstanten Niveau, sie ist also der Veränderung der Fallzahlen nicht gefolgt und konstatiert eine gewisse Gewöhnung oder Ignoranz gegenüber dem Infektionsgeschehen.
36% finden die ergriffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie (eher) übertrieben. Sie schätzen ihr Risiko an COVID-19 zu erkranken als niedriger ein als Personen, die die Maßnahmen nicht übertrieben finden oder indifferent sind. Auch schätzen sie das Risiko, sich bei Treffen mit Familienmitgliedern aus einem anderen Haushalt oder mit Freund/innen anzustecken als niedriger ein. Sie empfinden ebenfalls die Infektion als harmloser und sehen sich selbst als weniger anfällig an (mittelstarke Zusammenhänge). Dies spiegelt sich auch in der COSMO DE Befragung wider: wer die Maßnahmen ablehnt hat eher geringere Gesundheitssorgen, dafür eher Sorgen wirtschaftlicher Art.
Einige Befragte sehen die Gründe der hohen Inzidenzen bei der Arbeit der Landes- bzw. der Bundesregierung und der Gesundheitsämter (6,7%; 34 Antworten). Von Januar bis März 2021 sank in Thüringen insgesamt nochmal deutlich das Vertrauen in die Bundesregierung, die Thüringer Landesregierung, die verantwortlichen Politiker/innen der Landkreise sowie der Städte und Gemeinden. Die Thüringer/innen haben derzeit (eher) wenig Vertrauen, dass die entsprechenden Institutionen gut und richtig mit dem Coronavirus umgehen. Das Vertrauen in die lokalen Gesundheitsämter bleibt auf mittlerem Niveau konstant.
Weitere Gründe für die hohen Inzidenzen werden in der – aus Sicht der Befragten mangelhaften und zu langsam vorankommenden – Impfstrategie der Regierung gesehen (6,1%; 31 Antworten). Zudem zweifeln einige die Glaubwürdigkeit der aktuellen Zahlen an (4,2%; 21 Antworten) oder sehen die erhöhte Testanzahl als Grund (7,1%; 36 Antworten). Die zunehmende Testung (auch von Symptomlosen) wird von einigen als sinnlos bezeichnet oder als zu viel und falsch empfunden. Außerdem wird von vielen falsch-positiven Test-Ergebnissen ausgegangen. Hier ist eine zielgerichtete Aufklärung über die Ziele des Testens und den Umgang mit Testergebnissen vonnöten.
Auch hier hat sich ca. die Hälfte der Befragten mit offenen Antworten beteiligt. Am häufigsten wurde das Impfen genannt (16,6%; 75 Antworten). Dabei werden auch die Wünsche geäußert, schneller und flächendeckender zu impfen. 60% der Thüringer Befragten würden sich (eher) impfen lassen, wenn sie nächste Woche die Möglichkeit dazu hätten. Hier ist zu bemerken, dass dies in der Woche abgefragt wurde, als AstraZeneca ausgesetzt wurde, es also zu Verunsicherung kam. Dennoch ist die Impfbereitschaft seit Januar 2021 um 5 Prozentpunkte gestiegen und könnte nach erfolgreichem Überwinden der AstraZeneca Aussetzung weiter steigen.
Als weitere Idee wird die Möglichkeit genannt, mehr und strenger die Einhaltung der Maßnahmen zu kontrollieren (13%; 59 Antworten). Einige Befragte sehen einen harten (kurzen) Lockdown (7,5%; 34 Antworten), härtere Beschränkungen (7,1%; 32 Antworten) und das konsequente Einhalten der Regeln und Empfehlungen (11,5%; 52 Antworten) als Möglichkeiten, die Fallzahlen zu reduzieren. Zudem wird auf Appelle und Aufklärung zum Beispiel von Seiten der Regierung verwiesen (6,2%; 28 Antworten). Ebenfalls werden sowohl weniger als auch mehr Corona-Tests als Idee zur Reduzierung der Inzidenzen genannt (5,6%; 25 Antworten weniger testen; 4,8%; 22 Antworten mehr testen).
Die Ansteckungsmöglichkeit bei nahestehenden Personen aus anderen Haushalten wird im Vergleich zu anderen Situationen als deutlich geringer eingeschätzt. Die Hälfte bis zwei Drittel der Thüringer Befragten hat jedoch wöchentlich solche Kontakte. Aus vorangegangenen Erhebungen der COSMO-Studie Deutschland wissen wir, dass bei Treffen mit nahestehenden Personen weniger Schutzverhalten gezeigt wird: höhere Verbundenheit zu Anderen führt zu weniger Abstand oder Masketragen. Die Gefahr wird also deutlich unterschätzt.
Gerade in Hinsicht auf die Osterfeiertage sollte deshalb verstärkt kommuniziert werden, dass auch bei nahestehenden Personen die AHA+L Regeln umgesetzt werden sollen. Ein aktuelles negatives Testergebnis kann außerdem einen Tag lang die Infektiosität nahezu ausschließen. Daher sollte verstärkt zum Testen vor Sozialkontakten aufgerufen werden.
Es sollte über die Zuverlässigkeit von Corona-Tests aufgeklärt und auf die Unterschiede von Schnelltests und PCR-Tests eingegangen werden. Auch sollte kommuniziert werden, dass Selbst- und Schnelltests bei häufiger Durchführung eine wichtige Rolle in der Pandemiebekämpfung spielen können. Es sollte darüber aufgeklärt werden, warum auch das Testen von Personen ohne Symptome wichtig und sinnvoll ist.
Dies kann vor allem auch im Zusammenhang mit verstärkten Testungen im Arbeitsbereich kommuniziert werden. Die Daten zeigen, dass es hier zu einer Häufung an Kontakten kommt, die zu potenziellen Infektionsrisiken führen können – verstärktes und regelmäßiges Testen von Symptomlosen ist auch hier empfehlenswert. Die strukturelle Motivation für Arbeitgeber, Home-Office zu ermöglichen, sowie die Überprüfung der auch am Arbeitsplatz geltenden Abstands- und Hygieneregeln sollte zusätzlich erhöht werden, da hier noch eine deutliche Reduzierung des Infektionspotentials möglich ist.
Das Infektionsgeschehen scheint keinen bedeutenden Einfluss auf die Risikowahrnehmung zu haben. Um der Thüringer Bevölkerung die Bedeutung des aktuellen Infektionsgeschehens deutlicher zu machen, sollten bei der Kommunikation von aktuellen Fallzahlen verstärkt hervorgehoben werden, was diese bspw. für das öffentliche Leben, das eigene Infektionsrisiko oder mögliche Lockerungen bedeutet.