Bis Ende 2021 entstand variierte die Akzeptanz von Maßnahmen mit dem Infektionsgeschehen. So wurde beispielsweise die Einschränkiung von Freiheitsrechten stärker befürwortet, wenn die Infektionszahlen zunahmen. Dieser Zusammenhang gilt nicht mehr für die seit Anfang 2022 vorherrschende Omikron-Welle; insgesamt hat die Akzeptanz einschränkender Maßnahmen in den letzten Monaten abgenommen.
Das kognitive Risiko (Einschätzung zu Wahrscheinlichkeit und Schweregrad der Infektion) bleibt relativ stabil, das affektive Risiko (Angst, Sorge vor der Infektion) ist nach einem Anstieg im Dezember trotz erneut steigender Infektionszahlen zurückgegangen. Die durchschnittliche Einschätzung der Maßnahmen als “übertrieben” ist in der Welle im Dezember zurückgegangen, allerdings in den letzten Wellen wieder gestiegen. Die Zustimmung zu stark einschränkenden Maßnahmen wie Schulschließungen war nach dem Jahreswechsel gefallen.
Das affektive Risiko hängt stärker als das kognitive Risiko mit der generellen Akzeptanz der Maßnahmen zusammen, wie die folgenden Korrelationen zeigen.
Interpretation der Korrelationskoeffizienten: In der folgenden Übersicht zeigen höhere Werte einen stärkeren Zusammenhang an, Werte nahe Null zeigen, dass es keinen Zusammenhang gibt, um 0.1 einen kleinen Zusammenhang. Werte um 0.3 zeigen einen mittleren Zusammenhang, ab 0.5 spricht man von einem starken Zusammenhang. Ein negatives Vorzeichen bedeutet, dass hohe Werte der einen Variable mit niedrigen Werten der anderen Variable einhergehen. Fettdruck zeigt statistisch bedeutsame Zusammenhänge an.
Kognitive Risikowahrnehmung und …
Ablehnung der Maßnahmen: -0.21
Affektives Risiko: 0.41
Affektive Risikowahrnehmung und …
Der Anteil derer, die die Maßnahmen übertrieben finden (rot), rangierte im Herbst und Winter 2020 relativ stabil zwischen 22% und 28%. Bis Ende März 2021 ist der Anteil derer, die die Maßnahmen für übertrieben halten, auf bis zu 35% gestiegen. Aktuell liegt der kritische Anteil bei 26.7% und hat damit wieder leicht zugenommen.
Achtung: Die nachfolgenden Analysen beziehen sich auf vergangene Erhebungen unter anderen geltenden Maßnahmen.
## Unterschiede nach Impfstatus
Bei der Frage, ob auch eine verkürzte Quarantäne ausreichend ist, um die Verbreitung des Virus einzudämmen, sind die Teilnehmer mit jeweils etwa 40% Zustimmung und Ablehnung gespalten.
In der Welle vom 30.11.21 wurden in einem Discrete Choice Experiment mehrere Kombinationen von verschiedenen Maßnahmen vorgelegt (Abbildung). Die Befragten haben sich jeweils zwischen zwei Kombinationen entschieden. Daraus wurde die relative Wichtigkeit der einzelnen Kriterien berechnet.
Abgebildet sind die extremen Kombinationen, die sich aus den relativen Wichtigkeiten ergeben (meist präferierte Situation und am wenigsten präferierte Situation).
Wichtigstes Merkmal war die Vermeidung der höchsten Sterblichkeit (+ 150.000), gefolgt von einer ausreichenden intensivmedizinischen Versorgung ohne Überlastungen. An dritter Stelle werteten die Befragten eine Impfpflicht für alle Personen über 12 Jahren sowie Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte als bedeutsam. Nachgeordnet war die Impfpflicht nur für Personal in medizinischen und Pflegeeinrichtungen. Die schulische Situation blieb in Relation zu den übrigen Themen ohne Bedeutung.
Für bislang Ungeimpfte ist die Ablehnung der Impfpflicht noch vor Vermeidung einer intensivmedizinischen Überlastung am wichtigsten. Die Vermeidung von Covid-19 bedingten Todesfällen war für die Gruppe der Ungeimpften nicht relevant.
Es gibt in einzelnen Bereichen Geschlechter- und Altersunterschiede.
Abbildung: Beispiel für das Stimulusmaterial. Abgebildet sind die auf der Basis der Ergebnisse zusammengestellten Kombinationen, die sich aus den relativen Wichtigkeiten ergeben haben (beste Situation, schlechteste Situation). Quelle: MH
Seit der Befragung vom 24.08.21 werden die Teilnehmenden zu ihrer Einstellung zu Zugangsvoraussetzungen in Freizeitbereichen befragt. Insgesamt ist die Mehrheit der Teilnehmenden für Zugangsbeschränkungen. Die Zustimmung hat entsprechend zugenommen.
Im Vergleich zur letzten Erhebung ist unter Geimpften die Zustimmung zu strikten Regelungen (1G, 2G+ oder 2G) deutlich gestiegen. Bei Geimpften hat die Zustimmung zur 3G-Regel zugenommen.
Erwartungsgemäß lehnen ungeimpfte Befragte spezifische Einschränkungen für Ungeimpfte ab. Eine Mehrheit der geimpften Befragten befürworten sowohl eine Impflicht für Berufsgruppen mit Personenkontakt als auch einen Lockdown für Ungeimpfte. Die Akzeptanz einer nachrangigen intensivmedizinischen Behandlung für Ungeimpfte wird auch von geimpften Befragten mehrheitlich abgelehnt.
In der Erhebung vom 27.07.21 wurde die Wahrnehmung der Maßnahmen als fair und richtig erhoben.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener hoher Fairness (Aus einem Mittelwert der Fairness für alle Gruppen) und …
mehr selbst ergriffenen Schutzmaßnahmen (z.B. AHA-AL und Kontaktreduktion): 0.36
Maßnahmen übertrieben finden: -0.5
höherem Vertrauen in die Bundesregierung: 0.47
höherem Vertrauen in das RKI: 0.46
höherer Impfabsicht: 0.47
Zusammenhang zwischen der Tendenz, andere von der eigenen Meinung zu überzeugen und…
Maßnahmen übertrieben finden: -0.16
höherer Impfintention: 0.24
höherem Vertrauen in die Bundesregierung: 0.26
Seit der Erhebung vom 29.06.21 wurde die Wahrnehmung der Maßnahmen als fair und richtig erhoben. Auch hier ist das kritische Drittel zu finden, dass die Maßnahmen als (eher) nicht fair beurteilt. Korrelationen zeigen, dass Fairness-Wahrnehmung mit höherem Vertrauen und höherer Bereitschaft einhergeht, durch das eigene Verhalten (AHA-L und Impfen) der Infektion vorzubeugen.
Es besteht ein Zusammenhang zwischen wahrgenommener hoher Fairness und …
mehr selbst ergriffenen Schutzmaßnahmen (z.B. AHA-AL und Kontaktreduktion): 0.5
Maßnahmen weniger übertrieben finden: -0.65
höherem Vertrauen in die Bundesregierung: 0.52
höherem Vertrauen in das RKI: 0.6
höherer Impfintention: 0.52
In der Welle vom 15.06.21 wurden die Teilnehmer, neben coronaspezifischen Themen, auch zum Klimawandel befragt. Die Befragten gaben an, inwieweit sie klimabewusstes Verhalten zeigen (z.B. *„Ich habe tierische Produkte (z. B. Fleisch oder Milch) in meiner Ernährung vermieden“, „Ich habe an Umwelt- bzw. Klimaschutzorganisationen gespendet“), ob Handlungsbedarf besteht im Bezug auf den Klimawandel, was sie von politischer Regulierung halten (z.B. „Alle Kohlekraftwerke werden zeitnah vom Netz genommen“, „Autos mit Verbrennungsmotor werden durch klimafreundlichere Varianten ersetzt“*), ob sie Sorge um zukünftige Generationen haben und ob der Klimawandel sie persönlich besorgt und inwieweit dieser sie beeinflussen wird.
Es bestehen mittlere bis große Zusammenhänge zwischen der Ablehnung von Corona-Maßnahmen, Verschwörungsdenken und der Ablehnung von Klimaschutzmaßnahmen. Die Ergebnisse deuten an, dass die Akzeptanz der Maßnahmen eher von allgemeinen Einstellungen beeinflusst wird, nicht durch kleinteilige Aspekte der Corona-Krise. Ein Faktor ist beispielsweise das Vertrauen in die Regierung.
Korrelationen zeigen einen statistischen Zusammenhang zwischen zwei Variablen, können aber keine Aussage zur Kausalität treffen oder die Richtung des Wirkzusammenhangs treffen.
Interpretation der Korrelationskoeffizienten: In der folgenden Übersicht zeigen höhere Werte einen stärkeren Zusammenhang an, Werte nahe Null zeigen, dass es keinen Zusammenhang gibt, um 0.1 einen kleinen Zusammenhang. Werte um 0.3 zeigen einen mittleren Zusammenhang, ab 0.5 spricht man von einem starken Zusammenhang. Ein negatives Vorzeichen bedeutet, dass hohe Werte der einen Variable mit niedrigen Werten der anderen Variable einhergehen. P-Werte unter 0,05 zeigen statistisch bedeutsame Zusammenhänge an.
r | p | r | p | r | p | r | p | |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Verhaltensänderungen zur Eindämmung des Klimawandels nicht notwendig | 0.46 | <.001 | 0.41 | <.001 | 0.4 | <.001 | -0.24 | <.001 |
Individuelles Klimaschutzverhalten | -0.18 | <.001 | -0.17 | <.001 | -0.18 | <.001 | 0.22 | <.001 |
Akzeptanz politischer Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels | -0.4 | <.001 | -0.3 | <.001 | -0.34 | <.001 | 0.32 | <.001 |
Beeinträchtigung zukünftiger Generationen durch Klimawandel | -0.35 | <.001 | -0.27 | <.001 | -0.26 | <.001 | 0.2 | <.001 |
Wahrgenommener Schaden durch Klimawandel | -0.24 | <.001 | -0.15 | <.001 | -0.22 | <.001 | 0.17 | <.001 |
Subjektive Wichtigkeit des Themas Klimawandel | -0.31 | <.001 | -0.22 | <.001 | -0.29 | <.001 | 0.29 | <.001 |
Sorge wegen des Klimawandels | -0.39 | <.001 | -0.29 | <.001 | -0.35 | <.001 | 0.28 | <.001 |
Die Teilnehmenden, die an beide genannten Corona-Verschwörungen glauben sind auch eher die Personen, die die Maßnahmen zur Eindämmerung des Klimawandels ablehnen.
54% stimmten (eher) zu, dass Personen mit nachgewiesener Corona-Immunität mehr Freiheiten bekommen sollten (z.B. mehr Menschen treffen). Die Zustimmung zu mehr Freiheiten bei nachgewiesener Corona-Immunität hat seit Anfang Februar 2021 damit kontinuierlich zugenommen.
In der Erhebung vom 20.04.21 wurden die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt, denen jeweils ein Szenario vorgestellt wurde. Die erste Gruppe sollte sich vorstellen, dass die Inzidenz an ihrem Heimatort über 100 liegt und bei ihnen dementsprechend ab dem kommenden Wochenende eine Ausgangsperre eingeführt wird. Die andere Gruppe sollte sich vorstellen, dass die Inzidenz an ihrem Heimatort über 100 liegt, die zuvor diskutierte Ausgangssperre aber nun doch nicht eingeführt wird.
Unter den Teilnehmern zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl der erwarteten täglichen privaten Kontakte mit potenziellem Ansteckungsrisiko. Ebenso führte die Ausgangssperre nicht dazu, dass die Befragten ein fiktives Abendessen mit einem/einer Freund/Freundin eher absagen oder nach vorne verlegen würden. Personen die Ausgangssperren für effektiver halten, würden das Abendessen unabhängig vom vorgestellten Szenario eher nach vorne verlegen oder absagen.
Zwischen den beiden Gruppen zeigten sich allerdings deutliche Unterschiede in der Bewertung des jeweiligen Szenarios. Die Gruppe mit in Kraft getretener Ausgangssperre zeigt signifikant mehr Reaktanz (Frust, Ärger, Regelung als Freiheitsbeschränkung oder störend) als die Gruppe ohne Ausgangsbeschränkung. 41% zeigten hier (eher) hohe Zustimmung zu den Aussagen, während der Anteil in der Gruppe ohne Ausgangssperre bei 31% lag.
Die Reaktanz ist hierbei abhängig von der Einschätzung der Effektivität von Ausgangssperren. Personen die Ausgangssperren für Effektiver halten, zeigen weniger Reaktanz. Dieser Effekt ist allerdings weniger stark für Personen in der Gruppe ohne Ausgangssperren. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Abendessenspläne abgesagt oder vorverlegt werden, ist unter Personen die Ausgangssperren für effektiv halten unabhängig von der Gruppenzugehörigkeit höher. Die Anzahl der erwarteten täglichen privaten Kontakte unterscheidet sich nicht signifikant nach Einschätzung der Effektivität oder Gruppenzugehörigkeit.