Studieren im Ausland trotz Pandemie – Verena Pichler (2021)

Studieren im Ausland trotz Pandemie

Ins Ausland gehen, neue Leute kennenlernen, das Land erkunden, viele Kulturveranstaltungen besuchen – das hat für mich immer ein Auslandssemester ausgemacht, so habe ich mein Semester in Spanien 2018 noch in Erinnerung. Doch dieses Jahr war irgendwie alles anders. Auch im Herbst 2021 hat die COVID-19 Pandemie die Welt noch fest im Griff, die USA genauso wie Deutschland. Dennoch war es für mich möglich, tatsächlich hierher zu kommen und an der Temple University in Philadelphia mit Präsenzkursen zu studieren. Was alles anders ist – und viele Dinge, die eigentlich gar nicht so anders sind als früher – möchte ich euch hier ein wenig weitergeben:

Die Vorbereitung der Reise war tatsächlich kaum durch die Pandemie beeinflusst. Bei der Belegung der Kurse wurden wir darum geben, darauf zu achten mindestens einen Präsenzkurs zu wählen, um unsere Anreise zu begründen. Während für die Länder des Schengenraums grundsätzlich noch eine Einreisesperre verhängt war, waren Studierende in Deutschland davon explizit ausgenommen und visumsberechtigt. Mein Besuch im US-amerikanischen Konsulat in München war also einfach mit Maske statt ohne, bedurfte aber ansonsten keiner weiteren außerordentlichen Maßnahmen. Ein anderes Thema war die Impfung. Würde sie für eine Einreise verpflichtend sein? Im Mai war noch absolut nicht klar, ob es möglich sein würde, vor der Abreise überhaupt noch einen Impftermin zu bekommen – eine Sorge, die sich kurz darauf glücklicherweise in Wohlgefallen auflöste als sich der Impfstau im Juni weitgehend verflüchtigte. Von der Temple University wurde uns mitgeteilt, dass eine Impfung zur Einreise und zum Antritt des Studiums nicht nötig sein werde, nur ein negativer Test, Impfungen würden uns dann am Campus angeboten werden. Und so war es schließlich auch. Am Tag vor meiner Abreise habe ich am Flughafen München einen Schnelltest durchgeführt, sodass am Tag der Reise selbst alles reibungslos lief. Der obligatorische Negativ-Test wurde nur unmittelbar vor dem Boarding für die Maschine in die USA einmal überprüft, ansonsten wurde ich nirgends danach gefragt. Den kompletten Flug mit FFP2-Maske zu verbringen war zwar keine Freude, aber auch das ist ein geringfügiges Übel verglichen mit der Freude, überhaupt ins Auslandssemester reisen zu können.

Mit Beginn des Semesters kehrte auch in Temple nach drei Semestern Onlinelehre erstmals wieder Leben ein, weil der Großteil der Kurse in Präsenz geplant war. Die anfängliche Impfempfehlung wurde bald in eine Impfpflicht für alle Studierenden am Campus umgewandelt, Test- und Impfmöglichkeiten werden nach wie vor in mehreren Gebäuden des Campus vom Student Health Service für alle kostenlos angeboten. Wie alles am Campus ist das universitätseigene Gesundheitssystem voll ausgebaut mit Arztpraxen, Krankenhaus, Laboren, Krankenversicherung etc. Etwas verwirrend war der Upload der (allgemeinen) Impfnachweise, inklusive Covid-Impfung, aber schließlich erwies es sich als ausreichend, als Beleg einfach den gelben internationalen Impfpass hochzuladen. Als sich der Campus und die umliegenden Wohnheime wieder mit Leben füllten, war allen die Freude über eine Rückkehr zur Uni deutlich anzumerken. Folgt man ein wenig den Diskussionen über die Problematik der racial segregation in Philadelphia, hat das Ende des Onlinelehre aber noch eine ganz andere Komponente. Obwohl Temple natürlich nicht nur „weiße“ Studierende hat, ist für die vorwiegend afroamerikanische Gemeinschaft von North Philly, die nun seit Pandemiebeginn unter sich war, ist die Rückkehr der Studierenden an die Temple University sicher seltsam. Andererseits öffnen zögerlich nach und nach auch die vielen Restaurants entlang Broad Street oder Cecil B. Moore Avenue wieder, als könnten sie es noch gar nicht glauben, dass ihre Hauptkunden nach eineinhalb Jahren tatsächlich wieder da sind und auch dableiben.

Die allgemeine Einführungswoche wurde auch vom Global Programs Department für zahlreiche Kennenlern- und Infoveranstaltungen für uns Austauschstudierende genutzt, allerdings in Rücksicht auf diejenigen ohne vollständige Impfung mit strengem Hygienekonzept, das eine strikte Einhaltung von Abstand und Maskenpflicht, auch im Freien, vorsah. Es gab aus diesem Grund auch keine Willkommenspartys oder kollektiven Ikeatrips (natürlich habe wir uns privat trotzdem auf das ein oder andere Glas Bier/Wein getroffen, allerdings eher in Kleingruppen, wie wir das von den Regeln zu Hause gewöhnt waren). Insgesamt herrscht an Temple, wie in ganz Philadelphia, eine strikte Maskenpflicht für Innenräume, d.h. dass wir auch während der Seminare Masken tragen. Davon abgesehen ist mir aufgefallen, dass die Sensibilität für Covid-Vorsichtsmaßnahmen durchaus variiert. Im Gebäude für Kunst/Kunstgeschichte (Tyler) sind z.B. alle extrem strikt, jeder sitzt möglichst weit vom anderen weg, im College of Liberal Arts (Gladfelter) sind Studierende wie Lehrende da deutlich entspannter. Niemand scheint ein Problem damit zu haben, dass der Raum von American History viel zu klein ist, um einen Stuhl zwischen uns freizulassen. Dennoch habe ich mich nie wirklich unwohl gefühlt, schließlich tragen wir alle Maske und sind geimpft – und wenn es sein muss, werden einzelne Sitzungen eben online abgehalten oder Studierende mit Erkältung oder in Quarantäne per Zoom zugeschaltet.

Ohne dass ich mir je genaue Zahlen zum Infektionsgeschehen in Philadelphia angesehen hätte, kann man sagen, dass die Stadt die Pandemie ganz gut im Griff hat. Lokale und Museen sind offen, Konzerte oder Festivals finden mit Hygienekonzept statt, Kontaktbeschränkungen gibt es keine. Die Maskenpflicht wird ernsthaft umgesetzt, auch wenn Stoffmasken statt medizinischer Masken hier noch dem Maß der Dinge entsprechen. Eine vollständige Impfung gilt allerdings oft als Freifahrtschein – einmal am Eingang vorgezeigt, kann sich dahinter eine unbeschränkt große Menge ohne Maske frei bewegen, als hätte es nie eine Pandemie gegeben. In Deutschland waren die Regeln bei meiner Abreise da noch deutlich strenger, „2G“ noch überhaupt kein Thema. So war ich dementsprechend skeptisch, als wir zum ersten Mal zum Footballschauen in Maxi’s Sportsbar am Campus gingen und ich muss zugeben, dass ich mich super unwohl fühlte. Proppenvoll, stickig, keine Maskenpflicht, Menschen, die sich über den Lärm hinweg anschreien und versuchen ihre Getränke nicht auszukippen, wenn man angerempelt wird – das alles fühlte sich an wie aus einer längst vergessenen Zeit, so völlig entgegen aller Zurückhaltung, die wir uns so hart antrainiert hatten. Ein paar Tage später wurde ich krank. Mein Coronatest blieb aber zum Glück negativ, offenbar war es nur eine „viral throat infection“, die umgeht – ja, es gibt auch noch andere Krankheiten außer Covid. Nach einer Woche zu Hause mit Erkältung war ich wieder fit; Maxi’s am „gameday“ habe ich seitdem aber trotzdem vermieden.

Stattdessen habe ich mich dank des bis jetzt – Ende Oktober – wunderschönen Wetters lieber auf die zahlreichen Outdoor-Veranstaltungen konzentriert. Dafür bietet sich ausgiebiges Sightseeing in der Innenstadt an, v.a. im schönen und sehr grünen Historical District, oder einfach die Erkundung des weitläufigen Temple Campus. Auch ein Beach Trip nach Ocean City, NJ, stand Anfang September auf dem Plan, sodass ich sogar einmal wieder im Meer schwimmen konnte (oder besser untertauchen, die Wellen hatten gegen einfach nur „schwimmen“ offenbar etwas einzuwenden). Ein ganz persönliches Highlight war darüber hinaus mein erste Football-Game der Temple Owls, inklusive Tailgaiting draußen vor dem Stadion. Insgesamt sind es also eher kleinere Einschränkungen der „neuen Normalität“, die bleiben, aber eigentlich geht das Leben in Philadelphia augenblicklich einen recht normalen Gang, ohne dass das kulturelle Leben wirklich eingeschränkt ist. Es bleibt, für den Winter das Beste zu hoffen, aber ich bin zuversichtlich.








Studieren im Ausland trotz Pandemie von Verena Pichler

Philadelphia Experience – Paul Skäbe (2021)

Philadelphia Experience

Nach 15 Stunden Flug (mit umsteigen), 24 Stunden hoffen in Newark, dass mein Gepäck sich nur verspätet und nicht verloren ist (nur verspätet), und zwei Stunden Busfahrt (der entspannte Teil meiner Anreise) komme ich endlich in Philadelphia an. Der erste Eindruck: laut, chaotisch und heiß – Mitte August sind es gerne mal an die 40°C. Mit der U-Bahn geht es weiter vom Stadtzentrum Richtung Temple University, Direktverbindung, ein Glück! Jetzt noch den Backpacker ein paar Blöcke zu meinem Appartement bewegen. Mit letzter Kraft schleppe ich mich in mein Zimmer und falle ins Bett für einen langen und tiefen Schlaf.

Zugegeben, meine Anreise hatte nicht vielversprechend begonnen – aber in den nächsten Tagen mache ich meine ersten nicht-erschöpften Schritte in der Stadt und die ersten Eindrücke werden durch viele neue ersetzt. Die Temple University liegt in North Philadelphia, eines der ärmeren Gebiete der Stadt mit einer hohen Kriminalitätsrate. Dennoch habe ich mich bisher noch nie unsicher gefühlt. Im Gebiet um die Uni haben sich aber in den letzten Jahren zunehmend Studierende angesiedelt und es entwickelt zunehmend den Charakter eines Uni-Viertels – gerade an den Wochenenden ist hier viel los, überall sind junge Menschen unterwegs und es werden auch gerne mal wilde Partys gefeiert. Der Campus der Universität liegt zentral an der Broad Street, einer der Hauptstraßen Philadelphias. Hier befinden sich nicht nur die Bibliothek und die Vorlesungsgebäude, sondern auch ein Supermarkt, viele kleinere und größere Restaurants (inkl. Temple’s famous food trucks), sowie die verschiedenen Sportanlagen der Universität. Wer wollte, könnte das ganze Semester auf dem Campus verbringen. Aber wer will das schon?

Phildelphia hat für jeden Geschmack etwas anzubieten: Viele kleinere und größere Parks zum Joggen, Picknicken oder einfach nur zum Sonnen; tolle Restaurants und Bars in allen Formen und Farben (besonders zu empfehlen: Fishtown, DAS Szeneviertel in Philly); Konzerte für alle Geschmacksrichtungen; Teams in allen großen US-Sportarten; Museen; Shoppingmöglichkeiten bis zum Umfallen (von High-End bis Second-Hand); und vieles mehr – unterm Strich: es wird ganz bestimmt nicht langweilig. Und wenn doch, dann sind New York City, Baltimore, Washington D.C., Atlantic City (Glücksspiel in den USA erst ab 21) und die Atlantikküste schnell und für US-Verhältnisse relativ entspannt mit Bus oder Bahn zu erreichen. Aber wie jede/r Studierende hoffentlich weiß (spätestens im Master ;), es gilt Work und Life auszubalancieren.

Was also ist auf der Arbeitsseite zu erwarten? Zunächst: Ein Seminar in den USA bedeutet im Semester einen deutlich höheren Arbeitsaufwand. Das Kursminimum zur Belegung liegt bei drei Kursen und ich würde definitiv empfehlen, es auch dabei zu belassen. Pro Seminar pro Woche wird in der Regel ein komplettes Buch gelesen, gelegentlich auch mal eins mit 600 Seiten. Meistens müssen auch kleinere Aufgaben wöchentlich eingereicht werden, z.B. ein Exzerpt des Buches oder eine kurze Reflektion über das Wochenthema. Dafür sind die Abschlussprüfungen in meinen Kursen recht entspannt – ein Essay über ca. fünf Seiten. Das Diskussionsniveau in den Kursen ist hoch, aber ich habe nie das Gefühl gehabt abgehängt zu werden. Insgesamt macht mir die Uni riesigen Spaß: viele interessante Texte und Themen, tolle Dozierende, unwahrscheinliche Ressourcen (ich habe noch nicht ein Buch nicht in der Bibliothek finden können) und eine großartige und engagierte Diskussionskultur. Es ist viel, aber wenn man sich darauf einlässt,  dann ist es ein echtes und lehrreiches Vergnügen!

Auch die Kommilitoninnen sind sehr nett und aufgeschlossen, über den Barnes Club, ein Verein der Geschichtsstudierenden, werden regelmäßig Veranstaltungen wie Kaffeerunden oder Barbesuche organisiert. Auch das Global Students-Büro organisiert verschiedene Angebote, über die man super Kontakt zu internationalen Studierenden gewinnen kann – wir haben zum Beispiel ein Fußballteam für die Amateurliga gegründet.

Alles in allem sind Philadelphia und die Temple University bisher (für mich ist gerade Halbzeit) eine großartige Erfahrung. Am Anfang gibt es auf jeden Fall eine Umgewöhnungsphase – die USA sind Europa zwar in vielen Dingen ähnlich, aber gleichzeitig doch sehr anders: lauter, größer, chaotischer – aber nachdem ich mich hier eingelebt und orientiert hatte, habe ich sowohl in der Uni wie auch in der Freizeit viele neue Dinge entdecken können, tolle Erfahrungen gemacht und vieles über mich und die USA gelernt. Auch wenn es jetzt so langsam kälter wird, es ist Mitte Oktober, bin ich doch sicher, dass es auch so weiter gehen wird.


Philadelphia Experience von Paul Skäbe