Die Anfänge des ostdeutschen Lichtspielwesens

Die ostdeutsche Geschichte des Kinos beginnt bereits einige Tage vor der endgültigen deutschen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg. So gab der sowjetische Stadtkommandant von Berlin, Nikolai Bersarin, noch am 28. April 1945 bekannt, dass der Betrieb von Kinos und anderen Vergnügungsstätten wieder erlaubt sei. Schon kurz darauf nahmen die verbliebenen Berliner Lichtspielhäuser ihre Arbeit wieder auf.

Für das Publikum gab es vor allem alte Kopien deutscher Filme zu sehen. Neuere Produktionen flimmerten erst einige Monate später wieder über die Leinwände. Am 6. Juni 1945 gab der sowjetische Filmverleih Sojusintorgkino den Auftrag, den Kinostreifen „Iwan der Schreckliche“ von Sergej Eisenstein zu synchronisieren. Für die Text- und Tonregie zeichnete Wolfgang Staudte verantwortlich. Der Film feierte seine öffentliche Premiere am 10. August 1945.

Das Kino in der sowjetischen Besatzungszone

Am 4. Juli 1945 übernimmt Sojusintorgkino sämtliche zum früheren Ufa-Bestand gehörenden Lichtspielhäuser im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands und ermöglichte deren Weiterbetrieb. Der Filmverleih verfügte 1946 über 51 solcher Kinos. Sie bildeten schließlich die Ausgangsbasis für die am 12. Februar 1949 gegründete „Vereinigung volkseigener Lichtspiele“ (VVL).

Der sowjetische Filmverleih Sojusintorgkino, später in Sovexport umbenannt, wurde auch mit dem Verleihmonopol ausgestattet und erhielt die vollständigen Verfügungsrechte über sämtliche gefundene Kopien deutscher Filme auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone.

Umstrukturierungsphase nach der Gründung der DDR

Bis Oktober 1948 liefen in allen Kinos im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands ausschließlich über Sovexport verliehene Filme. Erst zum 1. November 1948 etablierte sich mit dem DEFA-Filmvertrieb ein zweiter Anbieter. Beide Firmen wurden am 13. Juli 1950 zur Progress Film-Vertrieb GmbH zusammengelegt, die bis zum Ende der DDR das Monopol für sämtliche Kinofilme hielt.

Obwohl der spätere Volkseigene Betrieb (VEB) Progress wirtschaftlich eigenständig agierte, war er organisatorisch der Hauptverwaltung Film unterstellt, die dem Ministerium für Kultur angehörte. Auf diese Weise konnte der Partei- und Lenkungsapparat seinen Einfluss auf das ostdeutsche Filmwesen geltend machen.

Der Progress Film-Vertrieb besaß keine eigenen Kinos. Diese befanden sich im Besitz der am 1. Januar 1953 in jedem Landkreis gegründeten „Volkseigenen Kreislichtspielbetrieben“. Ausnahmen bildete hier lediglich die bis 1955 existierenden Sovexportfilm-Theater sowie kleinere, in Privatbesitz befindliche Lichtspielhäuser.

Ab 1. Januar 1963 wurden die Kinos in der DDR zu 15 Bezirkslichtspielbetrieben beziehungsweise Bezirksfilmdirektionen (ab 1977) zusammengefasst und in die Haushalte der Bezirke integriert. Gute Beziehungen zu den Bezirksleitern von Staat und Partei machten sich oftmals bezahlt. So wurden insbesondere jene Bezirksfilmdirektionen mit finanziellen Zuwendungen bedacht, die einen besonders guten Draht zum Führungspersonal der DDR hatten. Als Folge gab es starke Unterschiede hinsichtlich der Investitionen. Kinos im Bezirk Leipzig wurden beispielsweise weniger gefördert als im Bezirk Gera.

Daten, Zahlen und Fakten zum DDR-Kino

Erstes belastbares Zahlenmaterial über das Kino in der DDR wurde 1951 erhoben. Insgesamt existierten in diesem Jahr knapp 1.500 Lichtspielstätten mit rund 550.000 Sitzplätzen. Zudem wurden über 1,12 Millionen Aufführungen gezählt, zu denen insgesamt 188 Millionen Zuschauer kamen. Jeder DDR-Bürger ging in jenem Jahr also mehr als zehn Mal ins Kino.

In den folgenden Jahren stieg die Zahl der Kinobesuche bis 1957 auf 316 Millionen Zuschauer, ging dann aber mit der Einführung und Durchsetzung des DDR-Fernsehens stark zurück. Im Jahr 1965 kamen die DDR-Kinos gerade einmal noch auf 118 Millionen Zuschauer.

Im Jahr 1989 erschien eine letzte Statistik der Hauptverwaltung Film über die „Situation im Lichtspielwesen der DDR und zu den Hauptrichtungen seiner Entwicklung bis zum Jahr 2000“. Demnach existierten 1988 in der DDR 828 Kinos. Hinzu kamen noch 116 Sommerkinos, 33 Zeltkinos und hundert Freilichtbühnen. Des Weiteren zählten die Autoren mehr als 2200 Aufführungen mit rund 190.000 Besuchern täglich, was auf das Jahr gerechnet rund 70 Millionen Zuschauer sind.

Lieblingsfilme der DDR-Kinobesucher

Progress Film-Verleih brachte Ende der 1950er Jahre rund 120 Filme im Jahr auf den Markt. Bis 1988 stieg die Zahl auf rund 140 Kinostreifen. Die DEFA-Studios produzierten im Jahr rund 16 bis 18 Kinostreifen. Die Sowjetunion trug rund 30 bis 40 Produktionen bei, während aus den übrigen realsozialistischen Ländern zwischen 60 bis 70 Filme kamen.

Zu den populärsten Kinofilmen der DEFA zählten vor allem Unterhaltungs-, Märchen- und Indianerfilme. „Die Geschichte vom kleinen Muck“ zählte mehr als 13 Millionen Kinobesucher und ist damit der erfolgreichste DDR-Film überhaupt. Auch weitere Märchenklassiker der DEFA-Studios wie das „Kalte Herz“, „Schneewittchen“ und „Das singende, klingende Bäumchen“ waren mit mehreren Millionen Besuchern wahre Publikumsmagnete.

Quellen:

Kino in der DDR – Eine kurze Geschichte des ostdeutschen Lichtspielwesens von Ralf Schenk, in: filmportal.de, abgerufen am 16.09.2019 unter https://www.filmportal.de/thema/kino-in-der-ddr.

Eine kleine Geschichte der DEFA: Daten, Dokumente, Erinnerungen von Ralf Schenk, Berlin: DEFA-Stiftung 2006.

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