Von Anna-Rosa Haumann
Am 26. April 1995 hieß es in einer Pressemitteilung der Stadt Erfurt: “Eröffnungsgala im wiedererstandenen ‘UFA-Palast’ in der Bahnhofstraße, dem vormaligen Panorama-Palast-Kino. Gleichzeitig können in 9 Kinosälen für insgesamt 1.950 Kinozuschauer Filme gezeigt werden.” [1] Nach neunmonatigem Umbau eröffnete der “UFA-Palast”, der von 1967 bis 1995 unter dem Namen “Panorama-Filmpalast” geführt wurde, bereits zum vierten Mal seine Türen.
Rund 22 Millionen Deutsche Mark wurden vom neuen Eigentümer, der UFA Theater AG, in Renovierungen investiert und machten das schon in der Weimarer Republik entstandene Kino zum ersten Multiplexkino in Thüringen. Die Geschichte vom UFA-Palast zeigt exemplarisch, wie sich sowohl die Lust am Kino bei den Zuschauern als auch der politische Nutzen in sämtlichen staatlichen Systemen von der Weimarer Republik, über die Zeit des Nationalsozialismus und der Deutschen Demokratischen Republik bis in die heutige Bundesrepublik spiegeln.
Der neue Eigentümer, der den UFA-Palast im April 1995 wiedereröffnete, die UFA Theater-AG, war aus der im Dezember 1917 gegründeten Universum-Film Aktiengesellschaft (UFA) hervorgegangen. Diese wurde unter der Leitung der Deutschen Bank mit geheimer Beteiligung des Deutschen Reiches zum Zwecke der Kriegspropaganda gegründet und besaß neben ihren Filmproduktionseinrichtungen eine wachsende Anzahl von Erstaufführungstheatern. Kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges standen vor allem Spielfilme zur Unterhaltung auf dem Programm, auch wenn die UFA von staatlicher Seite weiterhin begünstigt wurde. In der Weimarer Republik entwickelte sich die UFA neben der US-amerikanischen Filmproduktion in Hollywood weltweit zu einem der größten Filmimperien und vereinte Produktionsstätten, Verleihorganisationen und Lichtspielhäuser in einem Unternehmen miteinander. [2] Das Kino entwickelte sich immer mehr zum Massenphänomen und prägte mit Film-Klassikern wie “Das Kabinett des Dr. Caligari”, “Metropolis” oder “Der blaue Engel” die neu entstandene Filmlandschaft dieser Zeit. Mitte der 1920er Jahre gingen täglich deutschlandweit ca. zwei Millionen Menschen in die Kinos.
Neben dem Unterhaltungszweck sollten beispielsweise die wöchentlich neu produzierten “Kino-Wochenschauen” auch der “Volksbildung” dienen, indem sie im Vorprogramm zum Hauptfilm über politische, gesellschaftliche, kulturelle und sportliche Ereignisse informierten.
Die enorm wachsende Popularität des Kinos veranlasste die Filmgesellschaften und Betreiber zu großzügigen Neubauten und Investitionen. In Erfurt entstanden so unter anderem das Alhambra-Kino in der Johannesstraße, das Uniontheater am Ilversgehofener Platz und auch der UFA-Palast, der am 22. Oktober 1931 im „Phönix-Haus“ in der Bahnhofstraße 41 bis 44 mit einer Festvorstellung eröffnet wurde. [3] Bereits einen Tag nach der Eröffnung begannen die Filmvorführungen, die täglich drei bis vier Mal stattfanden. Für den ersten Film „Bomben auf Monte Carlo“ mit Anna Sten und Heinz Rühmann in den Hauptrollen, lagen die Eintrittspreise zwischen 90 Pfennigen und 2,50 Mark.
In der Zeit des Nationalsozialismus produzierte die UFA weiterhin Unterhaltungsfilme auch für den internationalen Markt. Bereits im Frühling 1933 verstärkte sich jedoch der Druck vom Propagandaministerium gegen die jüdische Belegschaft und führte dazu, dass sich der Konzern widerstandslos seiner jüdischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entledigte. [4] So heißt es in der Niederschrift der UFA-Vorstandssitzung vom 29. März 1933: “Mit Rücksicht auf die infolge der nationalen Umwälzung in Deutschland in den Vordergrund getretene Frage über die Weiterbeschäftigung von jüdischen Mitarbeitern und Angestellten in der Ufa beschließt der Vorstand grundsätzlich, daß nach Möglichkeit die Verträge mit jüdischen Mitarbeitern und Angestellten gelöst werden sollen.” [5] Mit dem erlassenen Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 standen nun neben Abenteuerfilmen wie „Das Schiff ohne Hafen“ oder der UFA-Operette “Gaspatrone” vor allem völkische Filmproduktionen wie der patriotische U-Boot-Film “Morgenrot” (1932/33) oder der nationalsozialistische Propagandafilm “Hitlerjunge Quex” (1933) auf dem Spielplan. [6]
Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der UFA-Palast am 19. Februar 1945 Opfer von britischen Luftangriffen, die mit einer Zerstörung der Kinodecke und der Inneneinrichtung einhergingen. Wiederaufgebaut und subventioniert von 50 Erfurter Firmen und der staatlichen sowjetischen Filmverleihgesellschaft konnte das bisweilen größte Erfurter Lichtspielhaus am 1. Mai 1946 zum zweiten Mal unter dem neuen Namen “Palast-Theater” eröffnet werden. Bereits am 23. Oktober 1946 lief hier der erste deutsche Nachkriegsfilm der DEFA “Die Mörder sind unter uns” mit Hildegard Knef in der Hauptrolle. Zu den zahlreichen politischen und erzieherisch wirksamen Filmen zählten in den Jahren ab 1954/55 die zwei DEFA-Filme “Ernst Thälmann – Sohn seiner Klasse” und “Ernst Thälmann – Führer seiner Klasse”, die unter der Regie von Kurt Maetzig entstanden waren und alle bisherigen Besucherrekorde übertrafen. Ab dem 1. Juni 1955 arbeitete das Kino wieder unter deutscher Verwaltung und wurde in einem 15-monatigen Kinoumbau zum modernsten Lichtspieltheater des Bezirks Erfurts und zum 5. Filmtheater der DDR, das mit 70-mm-Filmen ausgerüstet war. Mit dieser dritten Wiedereröffnung am 29. April 1967 wurde das Kino unter dem neuen Namen “Panorama” eröffnet. [7]
Mit der deutschen Wiedervereinigung 1990 fielen auch die Lichtspielhäuser unter die Durchführungsverordnung zum Treuhandgesetz und wurden privatisiert. Der Düsseldorfer Kinounternehmer Heinz Riech übernahm mit der UFA Theater AG in den Jahren 1991/92 von der Treuhandanstalt einen Teil der Kinos aus der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik, worunter unter anderem auch das Panorama Palasttheater in Erfurt zählte. Nach neunmonatigem Umbau und den bereits erwähnten 22 Millionen Mark Investitionskosten eröffnete das Kino am 27. April 1995 zum vierten Mal unter seinem ursprünglichen Namen “UFA-Palast” seine Türen.
Im Jahre 2001 wurde mit der Eröffnung des neuen CineStar-Filmpalasts am Hirschlachufer 7 jedoch ein weiteres und noch größeres Multiplex-Kino mit acht Kinosälen und insgesamt 2.158 Sitzplätzen in unmittelbarer Nachbarschaft von der Lübecker Kieft & Kieft Filmtheater AG eröffnet. Bereits ein Jahr später, im Oktober 2002 ging die UFA Theater AG in die Insolvenz. Zu groß war der Druck neben den großen Kinounternehmen wie Cinemaxx und Cinestar mithalten zu können. Während die Konkurrenten relativ flexibel mit den Städten, auch über Neubauten, verhandeln konnten, war die UFA an ihre Grundstücke und Immobilien gebunden und konnte weniger flexibel agieren, da bei Um- oder Neubauten häufig auch der bestehende Denkmalschutz zu beachten war. Die Lübecker Kieft & Kieft Filmtheater AG übernahm daraufhin die insolvente UFA GmbH und damit auch den UFA-Palast in Erfurt. [8]
Der Name UFA konnte bis zum Jahre 2004 in Lizenz weiterverwendet werden. In einer Pressemitteilung vom Blickpunk:Film heißt es am 22.12.2004: “Die Nutzung des Namens Ufa bzw. UFA in den verschiedenen Bereichen Filmtheaterbetrieb und Produktion hat in der Vergangenheit häufig für Konfusionen gesorgt. Die zur CineStar-Gruppe […] [zugehörigen Kinos werden] in CineStar umbenannt. Zur Namensverwirrung können jetzt nur noch sieben von der insolventen UFA-Theater AG, Düsseldorf betriebene Filmtheater sorgen.” [9] Im Juni 2006 wurde das Kino – vorerst nur über die Sommermonate – dann aber nach insgesamt 75 Jahren Kinogeschichte wegen Unrentabilität von seinen neuen Lübecker Eigentümern in Gänze geschlossen.[10]
So wird anhand des Erfurter UFA-Palastes deutlich, wie sich politischer Wandel und staatliches Handeln auf die reale Film- und Kinolandschaft im Einzelnen ausgewirkt haben. Der damit einhergehende unmittelbaren Einfluss auf die reale Lebenswelt der Menschen spiegelte sich sowohl in der Kriegspropaganda des Kaiserreichs, in den künstlerischen und weniger politischen Filme der Weimarer Republik, in den völkischen und propagandistischen Filmproduktionen während der NS-Zeit, in der staatlich-sozialistisch geprägten Ideoligie der DDR als auch in den marktwirtschaftlichen Grundsätzen der Reprivatisierung nach der Wiedervereinigung.
Einzelnachweise:
[1] Erfurt.de – das offizielle Stadtportal der Landeshauptstadt Thüringens, Chronik der Stadt Erfurt von 1989 – 1999 (26.04.1995), URL: https://www.erfurt.de/ef/de/erleben/entdecken/geschichte/chronik/115454.html#slot_100_9 [Stand: 26.09.2019].
[2] Otto, Dagmar: Die Universum-Film AG (UFA), in: Deutsches Historisches Museum Berlin (09.05.2015), URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/kunst/ufa [Stand: 20.09.2019].
[3] Raßloff, Steffen: Kinos in der Weimarer Republik. Siegeszug des Kinos: Das Kino wurde in den Goldenen Zwanzigern zum Massenphänomen. Ein Beitrag der Serie „Bauhausjubiläum 2009 der Thüringer Allgemeinen (27.12.2008), URL: http://www.erfurt-web.de/Kino_Weimarer_Republik [Stand: 26.09.2019].
[4] Otto, Dagmar: Die Universum-Film AG (UFA), in: Deutsches Historisches Museum Berlin (09.05.2015), URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/kunst/ufa [Stand: 20.09.2019].
[5] Zit. n.: Kreimeier, Klaus: Die UFA Story. Geschichte eines Filmkonzerns, München [u.a.] 1992, S. 248.
[6] Deutsches Filminstitut und Filmmuseum: Traumfabrik und Staatskonzern. Die Geschichte der UFA, URL: HTTPS://WWW.FILMPORTAL.DE/THEMA/TRAUMFABRIK-UND-STAATSKONZERN-DIE-GESCHICHTE-DER-UFA [Stand: 21.09.2019].
[7] Menzel, Eberhardt: Aufstieg und Fall des UFA-Palastes in der Bahnhofstraße 41 bis 44. Erfurter Kinogeschichte XII, in: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt, Nr. 65 (1/17), S. 32-34, hier: S. 33.
[8] Menzel, Eberhardt: Aufstieg und Fall des UFA-Palastes in der Bahnhofstraße 41 bis 44. Erfurter Kinogeschichte XII, in: Stadt und Geschichte. Zeitschrift für Erfurt, Nr. 65 (1/17), S. 32-34, hier: S. 34.
[9] Homepage mediabiz, Pressemitteilung vom 22.12.2004, in: Blickpunkt:Film: CineStar verzichtet auf den Namen, URL: http://www.mediabiz.de/film/news/cinestar-verzichtet-auf-den-namen-ufa/169185 [Stand: 24.09.2019].
[10] Tanner, Daniel: Die Ödnis des Kinosaals. Die Sommer-Spielpause im Erfurter Panorama-Kino wurde auf unbestimmte Zeit ausgedehnt. Droht nun die Schließung?, in: Heft für Literatur, Stadt und Alltag, Jubiläumsausgabe, Oktober 2006, S. 11.
Ein sehr schön recherchierter Beitrag zur Erfurter Kinogeschichte. Vielen Dank dafür und künftig gerne mehr davon!
Es ist schade, dass dieses Kino Geschlossen wurde. das Palast Theater war ein sehr schönes Kino zu DDR Zeiten. Man hätte dieses Haus offen lassen sollen. Der größte Fehler aller Zeiten, war ,dass nach der Wende die Kinos nur an Westdeutsche verramscht wurden. Gerade Kieft und Kieft einer der schlechtesten Kinobetreiber von Deutschland , haben im Osten viel Schaden verursacht. Ich denke da z.B. an Apolda Kristall Palast, Grevesmühlen oder in Rostock der Hansa Palast, das Filmtheater am Anger alle zu. Man könnte die Liste fortsetzen. Durch Größenwahn, haben damals Cinestar Kieft und Kieft durch die Pleite der UFA alle Häuser übernommen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Kieft und Kieft auch Pleite gingen. Zu spüren haben das, die Kinos in Aschersleben, Sangerhausen und Bischofswerda bekommen, um einige zu nennen. Mich ärgert es sehr, dass solche Typen, durch ihre Gier, Kinos im Osten zu Grunde richten. Gerade das Palast Theater in Erfurt liegt mir sehr am Herzen, da ich mal selbst, in diesem Haus, als Filmvorführer tätig habe. Schuld ist die Treuhand, die an solche Typen die Kinos verramscht hat, für ein Apfel und ein Ei.