Nach mehr als drei Jahren endet das bürgerwissenschaftliche Mitmach-Projekt “Kino in der DDR” am 31. Oktober 2022. Kurz vor Projektabschluss ist es daher an der Zeit, eine Bilanz zu ziehen und zu erläutern, wie es mit der virtuellen Forschungsplattform weitergeht.

Es war vor genau drei Jahren, als im Oktober 2019 dieser Blog online ging und die Öffentlichkeit erstmals über das Forschungsprojekt “Kino in der DDR – Rezeptionsgeschichte von ‘unten'” informierte. Das Ziel der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Erfurt klang ambitioniert: Anhand von Zeitzeugenberichten und überlieferten Dokumenten sollte eine Alltagsgeschichte über das Kino der DDR erarbeitet werden. Zu diesem Zweck entwickelte das Forscherteam eine digitale Mitmachplattform, auf der Bürgerinnen und Bürger ihre Erinnerungen an Kinos, Filme und Schauspielerinnen und Schauspieler der DDR mit der Wissenschaft teilen konnten.

Kennzahlen zum Forschungsprojekt

Die Plattform wurde von der Öffentlichkeit gut angenommen und verzeichnete zum Schluss mehr als 170 Anmeldungen von interessierten Menschen. Gemeinsam haben diese Personen über 530 DDR-Kinos auf einer virtuellen Karte eingetragen, mehr als 200 überlieferte Dokumente und Fotografien zur DDR-Kinogeschichte hochgeladen und das Forscherteam an zahlreichen Erlebnissen und Erinnerungen teilhaben lassen.

Begleitend zur Forschungsplattform hat das Team von “Kino in der DDR” ein umfangreiches Kommunikationsangebot geschaffen, um das Projekt einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Dazu zählt vor allem dieser Blog samt seiner dazugehörigen Social Media-Kanäle, aber auch die vielen durchgeführten Veranstaltungen im Raum Erfurt und darüber hinaus. Durch die offene und stetige Projektkommunikation ist die Community über die letzten drei Jahre erstaunlich gewachsen: Die Facebook-Seite hat mittlerweile 262 Follower, dem Twitter-Kanal folgen fast 700 Menschen und die Projekthomepage weist durchschnittlich mehr als 1.000 Besucherinnen und Besucher (Unique User) im Monat auf.

Erfolgreicher Projektabschluss

Dank der Unterstützung aus dieser großen Community kann das Forschungsprojekt “Kino in der DDR” nun erfolgreich zum 31. Oktober 2022 beendet werden. Anliegen des Projektes war es zum einen, Quellenmaterial für die Erarbeitung einer Alltagsgeschichte des DDR-Kinos zu erschließen. Die dem Forscherteam zur Verfügung gestellten Dokumente, Berichte und Fotografien umfassen mehr als 300 Einheiten und wurden nun auf der Plattform für eine spätere geschichtswissenschaftliche Auswertung digital archiviert.

Zum anderen lag ein weiteres Ziel darin, auf Basis der virtuellen Forschungsumgebung von “Kino in der DDR” eine funktionsfähige projektunabhängige Citizen Science-Plattform zu schaffen und für andere Projekte nutzbar zu machen. Auch dieses Vorhaben konnte erfolgreich umgesetzt werden: Nach einer mehrjährigen Test- und Bugfixingphase wurde der Quellcode der virtuellen Forschungsplattform von “Kino in der DDR” unter dem Namen COSE (“Citizen Science Open Erfurt”) auf GitHub veröffentlicht. Die Software enthält sowohl das Nutzerverwaltungstool als auch das Karten-, Archiv- und Dokumentationsmodul, die individuell an das eigene bürgerwissenschaftliche Forschungsprojekt angepasst werden können.

Was bleibt?

Aus dem Forschungsprojekt “Kino in der DDR” sind zahlreiche wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Publikationen hervorgegangen (Foto: M. Plaul).

Mit Beendigung des Projektes zum 31. Oktober 2022 werden leider auch dieser Blog und die projektbegleitenden Social Media-Kanäle auf Twitter und Facebook vorerst nicht mehr betreut. Das heißt, die Inhalte sind zwar noch eine Zeitlang einsehbar, werden aber nicht mehr aktualisiert. Parallel dazu wird die virtuelle Forschungsplattform zum Projekt “Kino in der DDR” in den Wartungsmodus versetzt und die von Bürgerinnen und Bürgern eingetragenen Daten mit dem Stand vom 31. Oktober 2022 „eingefroren“. Eine Anmeldung, Neuregistrierung oder Mitarbeit auf der Plattform ist dann bis auf Weiteres nicht mehr möglich. Ob die virtuelle Forschungsumgebung künftig unter neuer Trägerschaft weitergeführt werden kann, und wer dann die inhaltliche und technische Verantwortung dafür übernimmt, befindet sich noch in Klärung.

Für diejenigen, die sich über das Projektende hinaus mit den Inhalten unseres Forschungsvorhabens befassen möchten, empfehlen wir die zahlreichen Publikationen, die im Rahmen unserer Arbeit entstanden sind. Eine Zusammenstellung finden Sie am Ende dieses Textes. Hervorheben möchten wir aber zwei Publikationen, die uns sehr am Herzen liegen. Das wäre einerseits der Sammelband “Kino in der DDR – Perspektiven auf ein alltagsgeschichtliches Phänomen”, in dem einige Ergebnisse unseres Projekts diskutiert werden. Anderseits möchten wir aber auch auf unsere populärwissenschaftliche Broschürenreihe “Unsere Kinoerlebnisse – Erinnerungen an das Kino in der DDR” verweisen, die besonders bemerkenswerte Geschichten von Filmfans und Beschäftigten des Kino- und Filmgewerbes der DDR bündelt.

Danksagung

Schließlich möchte sich das Projektteam herzlich bei allen Projektpartnern bedanken, die uns bei der Umsetzung und Realisierung des Vorhabens unterstützt haben. Zu nennen sind hier die Thüringer Aufbaubaubank, die Citizen Science-Plattform “Bürger schaffen Wissen” sowie die DEFA-Stiftung. Ein ganz besonderer Dank gilt natürlich den zahlreichen Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern, die uns an ihren persönlichen Lebensgeschichten teilnehmen ließen. Ohne diese engagierten Menschen wäre das Projekt so nicht möglich gewesen.

Vielen Dank nochmals & auf Wiedersehen!

Ihr Projektteam von “Kino in der DDR”

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Publikationsliste zum Projekt “Kino in der DDR”

Herausgeberschaften:

Haumann, Anna-Rosa / Plaul, Marcus (Hrsg.): “Unsere Kinoerlebnisse – Erinnerungen an das Kino in der DDR”, Sammelpublikation zum Citizen Science-Projekt “Kino in der DDR – Rezeptionsgeschichte von ‘unten'”. Erfurt: Universität Erfurt, 2022.

Plaul, Marcus / Haumann, Anna-Rosa / Kröger, Kathleen (Hrsg.): “Das Kino in der DDR – Perspektiven auf ein alltagsgeschichtliches Phänomen”. Baden-Baden: Nomos Verlag, 2022.

Aufsätze:

Carius, Hendrikje / Kuller, Christiane / Rössler, Patrick / Smolarski, René: “Development of a Cross-Project Citizen Science Platform for the Humanities”, in: Ernst, Marlene / Hinkelmanns, Peter / Zangerl, Lina Maria / Zeppezauer-Wachauer, Katharina (Hg): Digital Humanities Austria 2018. Empowering Researchers, Wien 2020, S. 79–82, online abrufbar: https://epub.oeaw.ac.at/0xc1aa5576%200x003b3997.pdf.

Haumann, Anna-Rosa / Kröger, Kathleen/ Kuller, Christiane/ Plaul, Marcus/ Rössler, Patrick/ Schlobach, Martin/ Smolarski, René: “Kinogeschichte miteinander erforschen und (be-)schreiben. Das Citizen Science-Projekt ‘Kino in der DDR’ in seiner Umsetzung und Evaluation”, in: Marcus Plaul/ Anna-Rosa Haumann/ Kathleen Kröger (Hrsg.): “Das Kino in der DDR. Perspektiven auf ein alltagsgeschichtliches Phänomen”. Baden-Baden: Nomos Verlag, 2022.

Haumann, Anna-Rosa / Plaul, Marcus: “Digtialbasierte Citizen-Science-Ansätze in den Geschichtswissenschaften am Beispiel des Forschungsprojektes ‘Kino in der DDR'”, in: Lernen aus der Geschichte (LaG), 2022, online abrufbar: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/15332.

Haumann, Anna-Rosa / Smolarski, René: “Digital project meets analog community. Expectations and experiences of a digital citizen science project on GDR history”, in: Austrian Citizen Science Conference 2020, online abrufbar: https://pos.sissa.it/393/010/pdf.

Plaul, Marcus: “Erfurter Lichtspielhäuser in der Erinnerungskultur der DDR: Zwischenbilanz eines bürgerwissenschaftlichen Forschungsprojektes zur Kinogeschichte”, in: Filmblatt/ Cinegraph Babelsberg e.V. (angenommen, voraussichtlich November 2022).

Smolarski, René / Carius, Hendrikje / Plaul, Marcus: “Perspectives and Challenges of Historical Research with Citizen Participation. A Critical Reflection on the Example of ‘Cinema in the GDR'”, in: Karoline Dominika Döring / Stefan Haas /Mareike König / Jörg Wettlaufer (Hrsg.): Digital History: Konzepte, Methoden und Kritiken Digitaler Geschichtswissenschaft, Berlin 2022, S.303–317, online abrufbar: https://doi.org/10.1515/9783110757101-016.

Smolarski, René / Kröger, Kathleen: “Das digitale Frontend. Katalysator oder Flaschenhals für Citizen Science-Projekte in der Geschichtswisenschaft?”, in: Robert Gramsch-Stehfest / Christian Knüpfer / Christian Oertel / Clemens Beck (Hrsg.): Das Frontend als ‘Flaschenhals’? Mediävistische  Ressourcen im World Wide Web und ihre digitalen Nutzungspotentiale für Historiker, Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften/Sonderband 6, 2022 (im Erscheinen).