Welche Rolle hatte das ländliche Kino Ostdeutschlands in den 1930er-Jahren? Mit welchen politischen Maßnahmen sahen sich die Kinobetreiber in der DDR konfrontiert? Und welche Herausforderungen brachte die Wende für das Kinowesen mit sich? Diesen Fragen geht der Autor Lucas Rischkau am Beispiel der “Kammerlichtspiele” in seiner Heimatstadt, dem brandenburgischen Beeskow, auf den Grund. Der erste Teil der dreiteiligen Serie befasst sich mit der Vorgeschichte und der Gründung des Kinos im Jahr 1933 sowie seiner Etablierung als bedeutsame Kultureinrichtung in den Folgejahren bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges.

Von Lucas Rischkau

Eröffnungsanzeige der Kammerlichtspiele Beeskow aus dem Täglichen Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 27.11.1933.

Die Alltagsgeschichte des Kino(film)s in der DDR zu einem eigenen Untersuchungsthema zu machen, bedeutet erfreulicherweise auch, kleinere und überregional wenig bekannte Lichtspielhäuser in den Blick nehmen zu können, die oftmals bei größeren Untersuchungen, beispielsweise zur Kulturpolitik der DDR oder speziell der DEFA, verständlicherweise kaum oder nur geringe Beachtung finden. Dabei bietet die Fokussierung auf einzelne regionale Lichtspielhäuser die Möglichkeit, zum einen größere, abstrakte historische Zusammenhänge an ganz konkreten Beispielen sichtbar und verständlich zu machen oder sie zum anderen als regionale Spezifika oder gar als Korrektive bisheriger allgemeiner historischer Erkenntnisse wahrzunehmen. Wenn auch hier nicht der Platz für eine ausführliche mikrohistorische Untersuchung sein kann, ist an dem konkreten Beispiel der “Kammerlichtspiele Beeskow” gut zu sehen, wie eine schrittweise Überführung eines privaten Kinobetriebes in den staatlichen Besitz der DDR und der spätere Rückkauf von der Treuhandgesellschaft in der Praxis aussehen konnten.

“Die neuen ‘Kammerlichtspiele’ wollen der hiesigen Einwohnerschaft deutsche Zunft und deutsches Können, aber auch echt deutschen Humor näherbringen”, kommentierte am 27. November 1933 die regionale Tageszeitung des Kreises Beeskow-Storkow die zum nächsten Tag stattfindende Eröffnung des ersten “ständigen Kinos” in Beeskow durch Fritz Heidrich und Bruno Kleinert in der Bahnhofstraße 14 [1]. Das Eröffnungsprogramm bestand, wie aus der ebenfalls in dieser Zeitung geschalteten Anzeige ersichtlich, aus einer Ausgabe “Die tönende Wochenschau”, zwei Kurzfilmen (die Humoreske “Die erste Instruktionsstunde” mit Albert Paulig und Paul Heidemann und ein Dokumentationsfilm über Potsdams Schlösser und Parkanlagen) und dem Hauptfilm “Grün ist die Heide” [2].

Entwicklung des frühen Kinos in Beeskow vor 1933

Zwei generelle Beobachtungen zur alltäglichen Kinogeschichte in Beeskow vor 1933 können aus diesen Anzeigen gezogen werden: Bereits vor dem Bau der “Kammerlichtspiele Beeskow” fanden unregelmäßige Filmvorstellungen in provisorisch dafür eingerichtete Räumlichkeiten des Gesellschaftshauses, des Schützenhauses oder in Sälen von Gasthäusern wie z.B. “Zur Stadt Beeskow” statt [5]. Daneben gründeten sich richtige Filmvorführungsunternehmen, die regelmäßig an einem festen Veranstaltungsort Filmvorführungen anboten, ohne jedoch eigens ein Kinogebäude zu errichten. Hierzu zählen das zwischen 1913 bis 1918 von G. Paris und später von F. Geisler betriebene “Kasino Lichtspieltheater” [6], welches bereits die Räumlichkeiten des “Märkischen Hofes” nutzte, die später auch von Fritz Heidrich und Bruno Kleinert zu den “Kammerlichtspielen Beeskow” umgebaut wurden, und die “U. T.-Lichtspiele”, die in den 20er- und 30er-Jahren unter der Leitung von O. Gerlach regelmäßig im Schützenhaus Filmvorführungen anboten, auch noch, als Beeskow bereits sein eigenes Kinogebäude besaß.

Gründung der “Kammerlichtspiele Beeskow” durch Heidrich und Kleinert

Postkartenansicht der Beeskower Kammerlichtspiele (ohne Datum) mit Einblicken in die Räumlichkeiten des angrenzenden Restaurants und Cafés sowie den damaligen Kinosaal. (Foto Archiv Beeskow)

Kinovorführungen – auch regelmäßige – gab es in Beeskow also schon länger. Mit der Errichtung der “Kammerlichtspiele Beeskow“ wurde nun aber erstmals ein eigens für Filmvorführungen gedachtes Gebäude errichtet. Die Geburtsstunde des noch heute erhaltenen Kinos in Beeskow. Umgebaut wurde dafür der bereits erwähnte Gästesaal des “Märkischen Hofes”. Zahlreiche erhaltene Rechnungen belegen, wie umfangreich die Umbaumaßnahmen gewesen waren, die neben der Innenbaumaßnahmen auch den Einbau einer neuen Heizungsanlagen dokumentieren, um hier ein modernes Kino mit 265 Sitzplätzen zu schaffen [7]. Trotz anfänglicher technischer Störungen am Eröffnungstag des Kinos, am 28. November 1933, war die Vorstellung ein großer Publikumserfolg. Der Andrang war so groß, dass nicht jede Person ins Gebäude gelassen werden konnte [8]. Welche große Aufgabe sich die beiden mit der Betreibung eines Kinos aufbürdeten, war ihnen durchaus bewusst. Fritz Heidrich und Bruno Kleinert waren bereits zuvor aktiv im Kinogeschäft tätig. Heidrich besaß in Cottbus das “Palast-Theater”, an dem auch Bruno Kleinert angestellt gewesen war und den Heidrich nun für die Eröffnung der Kammerlichtspiele nach Beeskow geholt hatte.

Fortführung des Kinobetriebs während der Kriegsjahre

Heidrich verließ jedoch 1935 das Kino und überließ die Leitung Bruno Kleinert, der damit auch zum alleinigen Eigentümer der Kammerlichtspiele wurde. Zusätzlich erwarb Bruno Kleinert den “Märkischen Hof”, den er jedoch nicht mehr selbst betrieb, sondern an andere Gastwirte verpachtete. Auch über die Kriegsjahre hinweg blieb das Kino in Betrieb, musste jedoch von Marie Kleinert, der Ehefrau von Bruno Kleinert, geführt werden, als ihr Mann 1943 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Sie musste dafür nach Berlin fahren, um sich für das Handwerk der Filmvorführung schulen zu lassen. Auch ein französischer Kriegsgefangener wurde zum Ende des Krieges zur Unterstützung des Kinobetriebes eingesetzt, wie Einträge in dem von Marie Kleinert geführten Kassenbuch vom Jahr 1945 zeigen, und dessen Kosten mit 31 Mark als monatliche Umlage angegeben werden. Der Kinobetrieb lief, bis das Gebäude 1945 von zwei Bomben getroffen wurde [9].

Den zweiten Teil der Beitragsserie “Die Kammerlichtspiele Beeskow – ein kleines Kino mit großer Geschichte” finden Sie hier auf unserem Blog. Darin lesen Sie, wie das Beeskower Kino in den Nachkriegsjahren mit der Gründung der DDR schrittweise in staatlichen Besitz überging.

Einzelnachweise

[1] Tägliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 27.11.1933.

[2] “Die tönende Wochenschau”, eigentlich “Fox Tönende Wochenschau” war als deutscher Ableger der amerikanischen Fox Movietone News die einzige ausländische Wochenschau, die damals in deutschen Kinos gezeigt wurde. Einen Überblick über die Entwicklung der Wochenschau in Deutschland bis 1945 bietet Bartels, Ulrike: Die Wochenschau im Dritten Reich. Entwicklung und Funktion eines Massenmediums unter besonderer Berücksichtigung völkisch-nationaler Inhalte, Frankfurt a. M. 2004, hier 19-38.

[3] Vgl. Amtliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 24.12.1912.

[4] Siehe beispielsweise Amtliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 28.12.1912; 10.05.1913; 12.02.1914; 21.02.1914; 25.08.1927; 26.08.1927. Zu Praktiken und Entwicklung des frühen Kinos siehe Strobel, Ricarda: Vom Jahrmarkt in den Filmpalast. Kino und Film im ersten Jahrzehnt, in: Werner Faulstich (Hg.): Kulturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. 1 Das Erste Jahrzehnt, München 2006, 71-84; Strobel, Ricarda: Lange Filme, Stars und Studios. Film im Aufbruch, in: Werner Faulstich (Hg.): Kulturgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. 2 Das Zweite Jahrzehnt, München 2007; 73-88; Lorenz, Thorsten: Das Kino in seiner geschichtlichen Entwicklung, in: Joachim-Felix Leonhard u.a. (Hgg.): Medienwissenschaft. Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen, Berlin/New York 2001, 1084-1092.

[5] Stellvertretend für das Gesellschaftshaus, siehe Amtliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 25. August 1927; für das Gasthaus “Zur Stadt Beeskow”, siehe Amtliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 23. Februar 1918. Es muss noch genauer untersucht werden, ob diese Filmvorführungen um sporadische Nebeneinkünfte von Privatpersonen handelte, die hin und wieder Filme auch in Zusammenarbeit mit den Gasthöfen vor Ort vorführten oder möglicherweise umherziehende Filmvorführer, die sich gelegentlich in Beeskow aufhielten, wie das berühmte “Windorf’s Edison Welt Theater”, welches mehrmals im Beeskower Gesellschaftshaus Filmvorführungen gab, vgl. Amtliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 10.05.1913 und 14.02.1914.

[6] Vgl. Text und Anzeige aus dem Amtlichen Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 12.02.1914. Damals war die spätere Bahnhofstraße noch keine eigenständige Straße, sondern war als Verlängerung der Fürstenwalder Straße geführt, die bis zum heutigen Schuhhaus Woick führte (Fürstenwalder Straße 1), dass 1905 aus dem Königlich Preußischen Postamt hervorging, vgl. Stadtverwaltung Beeskow (Hg.): Beeskow in Bildern, o.O. 1995, 45.

[7] Rechnungen von Kurt Mahnke (Heizungs- und Sanitärunternehmen) vom 29.11.1933, J. Tödter (Maurer- und Zimmermeister) vom 01.12.1933, Max Sommer (Strick- und Wollwaren) vom 18. Dezember 1933, A. Schulle (Polsterarbeiten) vom 27.12.1933, Carl Schön (Tischlerei) vom 31.12.1933 (Familienbesitz Kleinert).

[8] Vgl. Tägliches Kreisblatt für den Kreis Beeskow-Storkow vom 29.11.1933.

[9] Vgl. Märkische Oderzeitung, Artikel “60. Geburtstag des Beeskower Kinos” vom 20.11.1993.