Welche Rolle hatte das ländliche Kino Ostdeutschlands in den 1930er-Jahren? Mit welchen politischen Maßnahmen sahen sich die Kinobetreiber in der DDR konfrontiert? Und welche Herausforderungen brachte die Wende für das Kinowesen mit sich? Diesen Fragen geht der Autor Lucas Rischkau am Beispiel der “Kammerlichtspiele” in seiner Heimatstadt, dem brandenburgischen Beeskow, auf den Grund. Während sich der erste und zweite Teil der Serie mit der Gründung des Kinos und seinem Fortbestand in der DDR befasste, beschreibt dieser letzte Beitrag die Geschichte des Kinos von der Wendezeit bis in die Gegenwart.
Von Lucas Rischkau
Der Kaufvertrag von 1977, der das Beeskower Kino nun endgültig als staatliches Eigentum deklarierte, sorgte dafür, dass das Kino nach dem Untergang der DDR wie alle anderen volkseigenen Betriebe des Filmgeschäfts per Treuhandgesetz vom 17. Juni 1990 in den Besitz der Treuhandanstalt gelangte, die das Eigentum des ehemaligen Staates an private Investoren verkaufen sollte [1]. Auf diesem Weg gelang es Doris Kleinert, der Schwiegertochter von Bruno und Marie Kleinert und hauptberuflich Lehrerin, nach der Wende das Grundstück nebst Kino zum Übertragungsstichtag des 20. September 1991 von der Oderländer Filmtheater GmbH, die durch die Treuhand aus der Bezirksfilmdirektion Frankfurt (Oder) hervorgegangen war, für den Preis von 30.000 DM zu erwerben [2]. Das Kino kam so wieder in Besitz der Familie, die es einst mitgegründet hatte.
Veräußerung des Beeskower Kinos durch die Treuhandanstalt
Modalitäten des Vertrages sahen unter anderem ein befristetes Veräußerungsverbot vor, das einen Weiterverkauf durch Doris Kleinert ohne Zustimmung der Treuhandanstalt bis zum 31. Dezember 1995 unzulässig machte (3.1). Zudem musste das Kaufobjekt mindestens bis Ende des folgenden Jahres, dem 31. Dezember 1992, als Kino fortgeführt werden (3.2). Damit sollten zum einen Spekulationsgeschäfte verhindert, zum anderen der Erhalt eines Kinos in Beeskow gesichert werden. Bei Nichteinhaltung dieser Punkte hatte die Treuhand das Recht die Differenz zwischen dem Erlös der vertragswidrigen Veräußerung sowie dem im Vertrag vereinbarten Kaufpreis zu verlangen bzw. ein Rückkaufsrecht. Auch dem Erhalt mindestens einer Vollzeitstelle im Filmtheater musste Frau Kleinert vertraglich zustimmen und garantieren, dass das Objekt für die Laufzeit als Kino betrieben wird (31. Dezember 1992). Bei Nichteinhaltung dieser Vorgabe war eine Vertragsstrafe von 25.000 DM vorgesehen (4.2). Dies sicherte aber nur eine von zwei Filmvorführerstellen.
Während Wolfgang Wienhauer, der seit 1984 bei der Lichtspielkammer Beeskow beschäftigt war, somit eine Arbeitsplatzgarantie erhielt, musste der seit 1952, zunächst beim Landfilm, dann am Beeskower Kino angestellte Günter Waehner in den Vorruhestand gehen [3]. Zwei Filmvorführerstellen konnte sich das kleine Kino einfach nicht leisten. Schon gar nicht, weil sich nach der Wende die Kinolandschaft strukturell veränderte. Die Konkurrenz durch die sich seit den 1990er-Jahren in Deutschland verbreiteten Multiplexkinos, die vielfach moderner und besser eingerichtet waren als die meist älteren Kleinstadtkinos, sowie die Ausbreitung neuer Medien führten zu einem stetigen Sinken der Besucherzahlen in Kleinstadtkinos wie dem in Beeskow.
Aus der dem Kaufvertrag von 1991 beigelegten Inventarliste wird ersichtlich, welche Investitionen in der Grundausstattung des Kinos zuletzt vorgenommen worden waren: So war die technische Ausstattung noch einmal zwischen 1987-1989 nachgebessert worden und 1990 wurde auch eine Popcornmaschine erworben. Die Innenausstattung wie Bildwand, Stuhlreihen oder Vorhänge waren jedoch noch aus den späten 1960er-Jahren und Geld für eine grundsätzliche Renovierung fehlte. Die Attraktivität des Beeskower Kinos konnte daher oftmals nicht mit der Ausstattung und dem Komfort neuerer Kinos mithalten und dies auch nicht mit sehr günstigen Eintrittspreisen ausgleichen [4].
Rettung und Wiederaufnahme des Kinobetriebs bis in die Gegenwart
1999 musste das Kino durch die Stadt gerettet werden. Doch auch die Investitionspläne durch diese und die städtische GmbH “prokultura” halfen letztendlich nicht. Ende Mai 2001 musste das Kino nach fast 70-jährigem Bestehen schließen [5]. Mehrere Versuche, Investoren zu finden, scheiterten [6], bis im Dezember 2005 durch den heutigen Kinobetreiber Ralf Schulze das Kino nun mit Café/Lounge und unter neuem Namen (“Schukurama”) an gleicher Stelle wiedereröffnet werden konnte [7]. Es läuft bis heute erfolgreich. Kinogeschichte wird in Beeskow also auch in Zukunft weitergeschrieben werden.
An dieser Stelle möchte der Autor Doris Kleinert und Annett Kleinert danken, die ihm vertrauensvoll Zugriff auf die über Jahrzehnte aufbewahrten Familienunterlagen gewährt haben, sowie Frau Elke Prüßing für die äußerst hilfreiche Zuarbeit und den erleichterten Zugang zu dem Beeskower Archiv.
Einzelnachweise
[1] Zur Entwicklung der DDR-Filmindustrie um die Wende herum, siehe: Dalichow, Bärbel: Das letzte Kapitel. 1989 bis 1993, in: Ralf Schenk (Hg.): Das zweite Leben der Filmstadt Babelsberg. DEFA-Spielfilme 1946 – 1992, Berlin 1994, 328-255.
[2] Siehe Kaufvertrag zwischen Doris Kleinert und der Oderländer Filmtheater GmbH vom 18.09.1991 unter notarischer Aufsicht von Regina Fuhr aus Frankfurt (Oder) (Familienbesitz Kleinert). Die Angaben der angesprochenen Punkte des Vertrages finden sich im Fließtext.
[3] Vgl. Märkische Oderzeitung, Artikel “Alles Gute, Günter Waehner alias ‘Schnuckelchen'” vom 20.07.1991.
[4] Eintrittspreise: Für Erwachsene 5 Mark in den vorderen Reihen, 6 Mark für die hinteren Reihen, drei Mark für Kinder, 1,50 Mark für Kindergärtner und 1 Mark zusätzlich für Überlänge, siehe Berliner Illustrierte Zeitung, Artikel “Kinotopp-Provinz? Aber nicht in Beeskow!” vom 11./12. Mai 1996.
[5] Vgl. Märkische Oderzeitung, Artikel “Um 45 Grad gedreht. Beeskower Kino mit zwei Sälen” vom 20./21. 04. 2002.
[6] Vgl. Märkische Oderzeitung, Artikel “Investoren springen ab” und “Beeskow ohne Kino” vom 04.01.2005.
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