Von Prof. Dr. Ruth Menzel

Noch heute ist die Bausituation von Vorderhaus und Nebengebäude des ehemaligen Kino-Ortes nachvollziehbar. Bild: Google Earth.

Zu den vermutlich längst vergessenen Kinostandorten gehört das Centraltheater in Erfurt-Nord, anfangs adressiert mit Ilversgehofen Hauptstraße 11. Nach zwei Bauentwürfen vom 8. und 27. Juli 1908 zu schließen, wurde der kleinen Gaststätte Schweizer Halle ein Kinematographentheater angefügt.

Ein Erfurter Hinterhauskino

Mehrere Unterschriften auf Bauplänen belegen ausführende Beteiligungen von Maurermeister Erich Hentsch und Bauunternehmer Paul Schmidt. Offenbar förderte der Eigentümer Gastwirt Robert Althauß den Auftrag zum Anbau in der Hoffnung auf ansteigende Einkünfte. Derzeit begann der Erfurter Norden, sich mit Industrieanlagen und Wohnsiedlungen von Arbeitskräften zu besiedeln. Da war mit neuen Kinokunden zu rechnen. Hinter und neben dem rechteckigen Kino­saal in den Maßen von 19,98 m x 8,00 m lagen eine Kegelstube, ein langer Durchgang und zwei straßenseitige Gastzimmer sowie eine Küche mit Speisekammer. Kinobesucher mussten demnach von der Magdeburger Straße den Torweg und kleinen Hof durchqueren, um zum Ziel ihrer Wünsche zu gelangen.

Das UnionTheater bot den Erfurtern ab 1929 einen neuen Kinosaal im Norden der Stadt. Foto: ©Stadtarchiv Erfurt

Speisen und Getränke außer Haus

Jeder Komfort hielt sich offenbar in Grenzen. Garderoben und Toiletten befanden sich nebenan in der Kneipe. Und dort warteten auch Speisen und Getränke auf Verzehr. Über dem Kino und dem Wohnhaus des Gastwirts breitete sich ein Photografenatelier mit Dunkelkammer. Über die Lebensgeschichte des Kinos, seine Programme oder besondere Ereignisse haben sich wohl keine Nachrichten erhalten. Erfurter Adressbücher von 1907 verzeichnen die Aktienbrauerei als Hauseigentümer mit der Straßennummer 51. Hinweise auf die Existenz eines Kinos fehlen allerdings.

Vom Kinosaal zur Brauerei-Gaststube

Im Dezember 1910 übernahm die Brauerei Gottlieb Büchner AG Staroste das Grundstück. Ob sie oder ein anderer Interessent veranlasste, das Kino nach fünfjähriger Existenz 1912/13 aufzugeben und an dessen Stelle zwei Gastzimmer einzurichten ist nicht urkundlich belegt. Zu dieser Zeit schlossen mehrere Erfurter Kinos. Es sollte immerhin bis 1927 dauern, ehe das Union-Kino den Verlust des Central-Theaters ausglich und dafür sorgte, Erfurt-Nord mit den modernen Errungenschaften zunächst des Stummfilms und später des Tonfilms zu versorgen.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich unter dem Titel “Das Filmtheater Kolosseum in der Krämpferstraße 62a, das Central-Theater in der Magdeburger Straße 89 und die Lichtspiele Alter Fritz Erfurt-Nord Magdeburger Straße 46. Erfurter Kinogeschichte V” in “Stadt und Geschichte: Zeitschrift für Erfurt”, Heft 3/2014, Nr. 58. Er wurde uns freundlicherweise von dem Herausgeber und Autor der Zeitschrift, Eberhard Menzel, für die Veröffentlichung auf diesem Blog zur Verfügung gestellt. Der Artikel wurde aus redaktionellen Gründen um Zwischenüberschriften ergänzt.