Am 10. Oktober 2020 fand anlässlich des Starts der digitalen Plattform zum Forschungsprojekt “Kino in der DDR” eine öffentliche Veranstaltung in Erfurt statt, wenn auch wegen der aktuellen Corona-Situation in kleinerem Rahmen. Rund 20 interessierte Bürger*innen folgten der Einladung von Wissenschaftler*innen der Universität Erfurt in das Kultur: Haus Dacheröden. Neben der Vorstellung der interaktiven Forschungsumgebung zum DDR-Kino standen auch Vorträge zur Geschichte der DEFA, eine Filmvorführung und der Austausch mit den Projektbeteiligten auf dem Programm.

Vortrag zum DEFA-Filmerbe bildete Auftakt der Veranstaltung

René Pikarski, Mitarbeiter der DEFA-Stiftung, leitete mit seinem Vortrag zur Geschichte der DEFA-Studios in die Veranstaltung ein.

Nach einer Begrüßung durch die Projektleitung gestaltete René Pikarski, langjähriger Mitarbeiter der DEFA-Stiftung, den Auftakt der Veranstaltung. Mit seinem Impulsvortrag “Eine kleine Geschichte zur DEFA – Film zwischen staatlichem Auftrag und künstlerischem Anspruch?” gab er einen Überblick über die Geschichte und weitreichende Arbeit der DEFA von 1946 bis 1992. An ausgewählten Filmbeispielen erläuterte er nicht nur die verschiedenen Filmgenres, die die DEFA in ihrer Schaffenszeit bediente, sondern richtete den Blick auch auf den immerwährenden Konflikt zwischen der künstlerischen Freiheit Filmschaffender und der politischen Agenda des DDR-Films.

Thematisch anknüpfend an Pikarskis Vortrag zeigten die Projektverantwortlichen den DEFA-Dokumentarfilm “Der Vorfilm läuft”. Die circa halbstündige Dokumentation aus dem Jahr 1956 wurde anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der DEFA produziert und gewährte Einblicke in die frühe Arbeit des Filmstudios mit zahlreichen Ausschnitten aus bekannten Produktionen wie “Die Mörder sind unter uns”, “Der Untertan” und “Das kalte Herz”.

Digitale Forschungsumgebung zum DDR-Kino für Öffentlichkeit freigeschaltet

Widmete sich die erste Hälfte der Veranstaltung vor allem der historischen Betrachtung des DDR-Filmerbes, legte der zweite Teil des Nachmittags den Fokus auf die Bewahrung des Wissens um die Kinokultur der DDR durch Wissenschaft und Bürger*innen. Den Schwerpunkt bildete dabei eine 45-minütige Präsentation des Forschungsprojekts “Kino in der DDR”, in der eine erste Version der virtuellen Forschungsumgebung zum DDR-Kino dem Publikum vorgestellt und unter der Adresse https://projekte.uni-erfurt.de/kinoinderddr/ für die Öffentlichkeit freigeschaltet wurde.

René Smolarski, Co-Projektleiter, und Beeke Müller, Mitarbeiterin im Projekt, präsentieren die Funktionen der bürgerwissenschaftlichen Plattform “Kino in der DDR”.

Im Rahmen dieses Vortrags ging das Forschungsteam auch auf die einzelnen Modulwerkzeuge der Plattform ein, die es den Bürgerwissenschaftler*innen ermöglichen, sich aktiv an der Forschung zu beteiligen. Hierzu gehört beispielsweise das sogenannte “Kartenmodul”, über das Bürger*innen ehemalige Kinos und Spielstätten eintragen können. Das “Archivmodul” erlaubt es den Nutzer*innen der Plattform zudem, interessantes Quellenmaterial wie Fotoaufnahmen von Programmheften, Eintrittskarten oder Kinogebäuden der Wissenschaft digital zur Verfügung zu stellen. Die Wissenschaftler*innen kündigten außerdem an, weitere Verbesserungen und Funktionserweiterungen in den kommenden Monaten an der Plattform vorzunehmen.

Bürgerwissenschaftler zeigte Online-Datenbank zum Lichtspielwesen in der BRD

Ein bürgerwissenschaftliches Projekt zur Kinogeschichte der Bundesrepublik Deutschland präsentierte zum Abschluss der Veranstaltung Klaus Weber aus Gönnheim mit seinem Vortrag “allekinos.com – Vergangene Kinokultur als digitale Erinnerung”. Auf seiner Webseite http://allekinos.com/ dokumentiert der hauptberufliche Winzer in seiner Freizeit derzeitige und ehemalige Kinostandorte in Deutschland seit dem Aufkommen erster Lichtspielhäuser zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Beeke Müller, mitverantwortlich für die technische Umsetzung der Plattform, und Marcus Plaul, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt, schalten die virtuelle Forschungsumgebung zum DDR-Kino für die Öffentlichkeit frei.

Seit dem Start der Webseite 2003 kamen im Laufe der Jahre mehr als 10.000 Datensätze zusammen, die Adressen, Sitzplätze und Betriebsjahre zu zahlreichen Kinos auf dem Bundesgebiet beinhalten. Darüber hinaus erläuterte Weber einige wichtige Vorgehensweisen in der Recherche, mit deren Hilfe er sich diesen Datensatz erschloss und gab damit auch den Zuhörer*innen wertvolle Tipps und Hinweise für eine mögliche Zuarbeit im Projekt “Kino in der DDR” mit auf den Weg.

Publikum bekundete großes Interesse an weiteren Präsenzveranstaltungen

Die Veranstaltung endete mit einer umfassenden Abschlussdiskussion. Dabei hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, mit den Projektverantwortlichen ins Gespräch zu kommen und ihre Gedanken über das Forschungsvorhaben zu äußern. In der offenen Diskussionsrunde wurde schnell deutlich, dass vonseiten der Bürger*innen großes Interesse daran besteht, sich an dem Forschungsvorhaben zu beteiligen, wenngleich sich die Teilnehmer*innen schnell darin einig waren, den methodischen Zugang nicht nur auf das rein Digitale zu beschränken, sondern gerade mit Blick auf die Zielgruppe um weitere Präsenzveranstaltungen und persönliche Gespräche zu ergänzen. Auf Basis der zahlreichen Anregungen durch das Publikum will das Projektteam auch weiterhin Präsenzformate zum Austausch mit anbieten und plant eine weitere Veranstaltung im Frühjahr 2021.

Zum Projekthintergrund:

Das Projekt “Kino in der DDR” hat sich zum Ziel gesetzt, eine Alltagsgeschichte des Kinos in der DDR aus der Perspektive der Zeitzeug*innen zu erarbeiten. Dabei ist das Forschungsteam auf die Unterstützung von engagierten Bürger*innen angewiesen, die ihre Erinnerungen an Spielstätten, Vorführungen, Filme und Schauspieler mit der Wissenschaft teilen. Zu diesem Zweck wurde von Wissenschaftler*innen der Universität Erfurt eine interaktive Plattform entwickelt, auf der erlebte oder gehörte Geschichten sowie Dokumente wie Fotoaufnahmen, Eintrittskarten oder Programmhefte der Forschung digital zur Verfügung gestellt werden können. Wer über den Projektfortschritt sowie weitere Veranstaltung zum Forschungsvorhaben “Kino in der DDR” auf dem Laufenden gehalten werden möchte, kann sich hier für den Newsletter registrieren.